Die Beat-Bibel :: Smash Boom Bang
Shakin‘ All Over von Hans-Jürgen Klitsch, High Castle, 472 SEITEN, DM 98
Über 12.000 Mark soll Hans-Jürgen Klitsch bei den Recherchen zu diesem Monsterbuch vertelefoniert haben – ein Indiz für die ungeheure Arbeit, die in diesem großformatigen Hardcover-Schinken steckt. Beamen wir uns zurück in die Zeit, als man „Shakin‘ All Over“ mit „Alles ist am Zucken“ übersetzte, die ersten Beatbands noch in Uniformen antraten und der Käfer das Straßenbild beherrschte. Überall wurde „gebeatet“, nicht nur im Star-Club und in hessischen Ami-Amüsierschuppen, und nicht selten wurde die Frage gestellt: „Wer beatet mehr?“ Geklärt wurde dies im edlen Wettstreit etwa um die „Deutsche Beat-Meisterschaft“. Klitsch, der schon die legendären Fanzines „Gorilla Beat“ und „Hartbeat“ herausgab, reiste für SHAKIN ALL OVER kreuz und quer durchs Land, führte hunderte von Interviews und sammelte Unmengen längst verschollen geglaubter Schallplatten, Fotografien, Gimmicks und Geschichten. Diese titanische Wühlarbeit präsentiert er hier – und legt damit die Latte für alle anderen K Veranstaltungen ähnlicher Intention fast unerreichbar hoch. Mehr als 2.800 Bands (!) werden in SHAKIN ALL OVER vorgestellt, von den bekannten wie Rattles, Lords, German Bonds oder Rainbows über all die namenlosen Beatsoldaten, die sich in wilden Clubnächten verbrauchten, bis hin zu den Fußnoten der Beatgeschichte wie etwa The Troop, der Schülerkapelle eines gewissen Wolfgang Niedecken, oder Frank Farian, der schon in den Sixties nicht nur einen, sondern mehrere Schatten hatte – so hieß seine Band. Wer je zwischen 1963 und 1967 in Westdeutschland Beatmusik gemacht hat, wird sich zwischen diesen Buchdeckeln wiederfinden (und dank der gründlichen Diskografie auch alles, was er angerichtet hat). Und wer damals nicht dabei war, erhält ein detailgenaues, attraktiv aufbereitetes Bild, das nicht nur durch seinen schier unendlichen Faktenreichtum überzeugt, sondern auch pophistorisch vieles gerade rückt. So weist Klitsch schlüssig nach, dass englische Musiker erst in den langen Bühnennächten hierzulande, wo es weder eine Sperrstunde noch Kleidungsvorschriften gab, ihren rauen Stil entwickeln konnten, der später mit den Beatles als Speerspitze weltweit Furore machte. Ebenso stellt er dar, wie wichtig das Phänomen der „Indo-Bands“ für die Ausbildung einer halbwegs niveauvollen instrumentalen Spielkultur auf deutschen Bühnen war. Obendrein gibt’s bei der Lektüre genug zu lachen, etwa im tragikomischen Kapitel über die Bandbusse oder wenn Klitsch die seinerzeit vorzugsweise gereichten Cocktails seziert. Fazit: Das beste Beatbuch der Welt – muss man haben, auch wenn man noch weit unter 40 ist. www.highcastle.de
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