Die Bücher
Ein fiktiver Wiener Rock n’Roll-Detektiv, den’s tatsächlich gibt; ein texanischer „private eye“, der schon als Countrysänger,“Chauvinist des Jahres“ und bei Dylans „Rolling Thunder Revue“ für Furore sorgte; ein liebeskranker Jammerlappen mitTelefonitis aus London, kurz: Das Personal dieser Kolumne gibt dem Begriff „abgedreht“ eine neue Dimension. Doch der Reihe nach: Da hätten wir zunächst Günter Brödl, Schöpfer und alter ego von Kurt Ostbahn, der seinerseits im richtigen Leben als „Favorit ’n Blues“-Dot tore, Kultfigur, Schauspieler und Romanheldvorlage praktiziert.
Alles klar? KOPFSCHUSS (Kremayr und Scheriau, 29,80 Mark) ist nach „Blutrausch“, „Hitzschlag“ und „Platzangst“ Brödls viertes Buch über die Abenteuer des Kurt O., spielt in Wien-Fünfhaus, im burgenländischen Dreikreuz und im mexikanischen Tres Cruces und wird bevölkert von verschwundenen Trainern, desorientierten Killern, geheimnisvollen Schönen, seltsamen Eingeborenen und Leuten, die sich „Duke“, „Hondo“, „Doktor Trash‘ oder Junkyard Angels nennen. Das liest sich akkurat so, als säße man in einem Wiener Cafehaus mitten in der Mojave-Wüste und bekäme seine „Melange mit Schlagobers“ von Quentin Tarantino serviert, liegt auf der nach oben offenen Skurrilitätsskala also ganz locker im roten Bereich und hat sich ansonsten ebenso locker ¿¿*** verdient, (pf) Weil Günter Brödl ein vorausschauender Mensch ist, macht er sich im Anhang Gedanken über eine mögliche Verfilmung und phantasiert sich Bruce Willis. Gary Oldman, Salma Hayek, Antonio Banderas oder Clint Eastwood herbei. Die Rolle des Ernesto, Besitzer eines Texaco-Außenpostens ohne Zapfsäule in Tres Cruces, wäre laut Brödl für Kinky Friedman reserviert, was keinen, dei die Songs oder Bücher besser noch beides – des „einzigen jüdischen Countrysängers aus Texas“ kennt, erstaunen wird. DER LEIBKOCH VON AI CAPONE
(Hofrmann & Campe, 28 Mark), sein neunter auf Deutsch erschienener Roman, kommt vielleicht nicht so witzigskurril bis hemmungslos überdreht daher wie „Elvis, Jesus & Coca Cola“. Einen TVfreien Abend ist die Suche nach dem Ehemann der blonden Polly Price, die „wie ein Piratenschiff aus dem Nebel“ beim Kinkster auftaucht, und nach den dunklen Gestalten, die hinter seinem Kumpel McGovern her sind, auf jeden Fall wert. Unser Held wird derweil in Washington beschossen und in Chicago um ein Haar in einer Luxuslimousine gegrillt. Von wem? J. Edgar Hoover?
Marsmännchen? Leaning Jesus? „Handlung ist etwas für Idioten“, hat Kinky einst kategorisch erklärt. Recht so. (pf) 4 Andererseits: Was gäbe man manchmal nicht alles für ein klein wenig Hand* ung? Beispielsweise in MEIN BETT, DAS TELEFON UND SIE (Droemer & Knaur, 36 Mark), dem Debüt des 28jährigen Mike Gayle aus Birmingham. Das ist zunächst gar nicht schlecht ausgedacht: Will Kelly, frustrierter Junglehrer und liebeskranker Zwangssingle, telefoniert sich durch ein graues Londoner Wochenende, spricht mit Martina, dem One-Night-Stand von neulich, mit Alice, seiner platonischen Freundin, mit Kate, der unbekannten Vormieterin, mit Simon, seinem (vermeintlich) besten Freund, und denkt doch nur immer an Aggi, die Traumfrau, die ihn vor drei Jahren verlassen hat. Das Problem: Wills ständige Jammertiraden. seine auto-aggressiven Anfälle, seine neurotische Nabelschau kommen nicht halb so witzig rüber wie es ^^m^^_^_ der Autor ursprünglich wohl im Sinn hatte, die anderen Figuren bleiben klischeebeladene Abziehbilder. Ein Verdacht: Mike Gayle wäre liebend gern so gut wie Nick Hornby. So wie „Be Here Now“ gern so gut wäre wie“(What’sThe Story) Morning Glory“. 2 (pf) Ob’s wohl mit dem Beruf zusammenhängt? Wolfgang Wedel-Mayer, fiktiver Fiesling in Peter Johannes‘ Roman PERLEN FÜR DIE SÄUE (Eichborn. 36 Mark), ist nicht nur Chefredakteur, sondern zudem auch noch ein Ekel erster Güte. So schreckt er nicht einmal davor zurück, in einem schäbigen Artikel einen homosexuellen und aidskranken Tenor diffamieren zu lassen. Und so kommt es, wie es in einem Boulevardkrimi über den Boulevardjournalismus nun mal kommen muß: Bevor der skrupellose Schreiber Wedel-Mayer einen Politiker zu Fall bringen kann, stürzt er selber- ins eigene Blut,“die Augen weit aufgerissen und die Hosen auf Halbmast“. „Ein grandioses Sittengemälde“, das ein „verkrustetes und menschenverachtendes System“ zeige, sei dem Autor Peter Johannes (als Gundolf S. Freyermuth übrigens ehedem Reporter zum Beispiel für den „Stern“) gelungen, meint sein Verlag und greift damit denn doch ein wenig hoch. Denn Johannes/Freyermuth scheut sich nicht, auch noch so abgedroschene Klischees zu strapazieren. Einen gewissen Unterhaltungswert kann man seinem Boulevardroman trotzdem nicht absprechen.
Mehr News und Stories