Die Goldenen Zitronen – Dead School Hamburg

Irgendjemand muß es ja noch tun: Die Goldenen Zitronen sind wieder da und liefern Gegenpropaganda zum Zeitgeschehen. Statt der instrumentalen Reizüberflutungen zwischen Freejazz und No-Wave gibt’s bei ihnen anno 1998 asketischen Agitprop. Zitos, was ist los? Lean Management in den eigenen Reihen? Den Gegner mit eigenen Waffen schlagen? Strategie und Taktik, oderwieoderwas? Statt der anarchischen Spielfreude von ECONOMY CLASS freien Lauf zu lassen, haben sich „Die Zitronen“, wie sie von ihren Fans liebevoll genannt werden, mit einem Gestell aus sehr schlanken, reduzierten Elektrobeats und Analogkeyboardsounds umgeben und sitzen schnell im Käfig der eigenen Korrektness. Tiefes Mißtrauen gegen mögliche falsche Allianzen („put the Xenophobie stamp on it/and be proud of your language“) haben streckenweise zu einer Abkehr von deutschen Texten geführt. Das Rollenspiel, mit dem Schorsch Kamerun schonungslos gegen Populärchauvinismen jeglicher Art herzog, tritt in den Hintergrund. Statt dessen gibt’s Songtexte auf englisch,französisch und spanisch, mit denen DEADSCHOOL HAMBURG eine internationale Kritik der globalisierten Welt versucht. Natürlich löffeln die Zitronen die Suppe des neudeutschen Identitätstätäräs dabei gleich mit aus. Viel gedacht, Herr Kamerun, und wirklich alles drin in punkto Korrektness. Aber wenn man dann doch fragen darf (im Bewußtsein, daß der Schorsch und seine Mitstreiter nicht wirklich um jeden Preis großen Wert darauf legen, sich viele Freunde zu machen): Warum wecken die Zitronen nicht wenigstens den gemeinen, sinnlichen Schweinehund, der in uns schlummert? Darf die Revolution denn überhaupt keinen Spaß mehr machen?