Die Import-Platten

So ein wenig fühlt sich Don Marco beim Verfassen dieser Rubrik ja immer wie ein Wohnungsvermittler. All diese schönen Platten ohne deutsche Anschrift. Keiner will sie bei sich aufnehmen und ihnen in der kalten Jahreszeit Wärme schenken. Also bleiben sie da, wo sie herkommen, in irgendwelchen blechernen Fabrikhallen auf der anderen Seite des Pazifiks und warten auf den Ruf aus good old germany. „Hello, I have read this critic in this german magazine and want to have it, I mean the CD. Can you send me?“ Und dann freut sich Don Marco. Noch mehr natürlich, wenn ein Mailorder oder Label zur Tat schreitet, und die schönen Platten hier in Hülle und Fülle unters Volk bringt. Das kommt vor. So erscheint die glorreiche Platte von June & the Exit June nächstes Jahr bei Marina, B-Blush scheinen einen deutschen Vertrieb gefunden zu haben und steuern im Dezember einige deutsche Clubs an, und Steve Pride steht auch in Verhandlungen mit deutschen A&R-Managern. Aber bitte: wer nimmt sich Of Montreal (Bar/None) an, und was passiert mit so großartigen Bloodshot-Bands wie den Sadies? Der Höhepunkt dieser Ausgabe kommt ebenfalls vom verrückten Country-Label aus Chicago. Sally Timms, die Sängerin der Mekons, hat sie geschaffen. „Cowboy Sally’s Twilight Laments… For Lost Buckaroos“ (Bloodshot) heißt ihr Album, das süß-saure Schlaflieder in Countrymanier enthält. Don Marco war natürlich besonders angetan von „Cancion Para Mi Padre“. das Sally mit Mekons-Partner Jon Langford verfaßt hat. Aber auch die anderen Heuler aus der Feder von Jeff Tweedy (Wilco), der Handsome Family, Jill Sobule und Johnny Cash haben sein Herz einige Grade erwärmt. 5 Sterne

Eher ins Schwitzen kam er beim neuesten Streich von Uda Huslk, der unberechenbaren Alleinunterhalterin aus Washington DC. Für ihr neues Album „Mad Flavor“ (Alias) hat sie alle Gitarren auf die Ersatzbank befördert, sich an ihrem neuen Roland MC 303 Analog-Keyboard ausgelassen und ein sphärisches Danceflooralbum eingespielt, das an New Order, Visage, Pizzicato Five und Madonna erinnert. 4 Sterne

Da ist der Weg zu den schmachtenden Pop-Klängen von Uta On Min nicht mehr weit, denn auch das Trio aus Chicago mag es gerne episch. Dreistimmige Gesangsarrangements, breitspurige Keyboardsalven und triumphierende Trompetensätze machen auf Ihrem gleichnamigen Debütalbum (Parasol) aus eher bodenständigem Power-Pop mitunter ein prima Album für Fans von Prefab Sprout oder Orange Juice. 4 Sterne

Mit eher leichter Kost beglücken uns Toothpaft* jooo aus Seattle, die auf „Bachelorettel“ (Parasol) die letzten Jahrzehnte vom 60’s-Beat über 70er-Disco bis hin zu früher 80er New Wave ohne Scheu vorm Recycling adaptieren, denen man aber den Spaß an dieser Spielerei abnimmt und deshalb bedenkenlos mitschunkeln kann. 4 Sterne

Gleiche Stadt, anderer Club. Eher ruppig und rauh geht es bei Bali zu, einer dieser hartnäckigen Punkbands von der Westküste, für die Television oder Patti Smith noch immer das Nonplusultra sind. In den richtigen Momenten können sie auf „A New Kind Of Rome“ (Yeah, It’s Rock) manchen Sturm losbrechen, in anderen verpufft ihr Power-Rock im Nichts. 3 Sterne

Da stehen sie aber nicht allein, denn auch The Bavis Frond hinterlassen auf „Live At The Great American Music Hall, San Francisco“ (Flydaddy) einen zwiespältigen Eindruck. Ihr klassischer Trio-Psychedelic-Rock klingt auf dieser Live-Aufnahme nicht selten stumpf und läßt die Leichtigkeit ihrer Studioplatten vermissen. 3 Dann doch lieber gleich richtig heavy wie Caustic R«m, die mit „Trick Question“ (Alias) fast schon Melvins-artig ihr Spaceship starten. Die ex-Built To Spill-Mitglieder haben aber auch die theatralische David Bowie-Lektion gelernt, und so gelingt ihnen ein Acid-Rock-Cocktail der intensiven Art. 5 Sterne

Noch ganz benebelt stellt sich Don Marco seiner letzten Neuentdeckung: Mftofuon Mix klingt nach verzerrten Gitarren, und die gibt es dann auch satt, „I’m An Athlete“ (Alias) 3 Sterne weil? aber noch nicht so recht, ob es sich für den verträumten Feedback-Pop von The Jesus & Mary Chain oder den „athletischen“ Mucki-Rock à la Big Black entscheiden soll. Nächstes Mal sollten sie das vorher klären, sonst bleiben sie im talentierten Niemandsland hängen. Hasta la vista wünscht… Don Marco

Labelkontakte:

Bloodshot: www.bloodshotrecords.com

Alias: www.aliasrecords.com

Parasol: www.parasol.com

Yeah. It’s Rock: www.yeahitsrock.

Flydaddy: www.flydaddy.com