Die Verurteilten

Gefängnisfilme? Das Altmodischste unter der Sonne, richtig? Von wegen. Im Geiste der wenigen großen Hochsicherheitstrakt-Thriller wie ‚Der Gefangene von Alcatraz‘ oder ‚Der Unbeugsame‘ kommt nun die gottlob horrorfreie Stephen King-Adaption ‚Die Verurteilten‘ daher. OK, doch ein wenig nostalgisch, da die Story in den Fifties spielt, sich detailverliebt dem Alltag hinter Gittern widmet und auf die Hoffnung setzt, daß auch Knackis gutherzige Menschen sein können.

Dann aber wieder modern, wagemutig und überraschend, weil auf die sattsam bekannten Flucht-in-Ketten-Klischees gänzlich verzichtet wird und die Kamera nicht wegschwenkt, sobald es ans Eingemachte geht. Will sagen: ‚Die Verurteilten‘ ist wahrscheinlich der erste Beitrag der Filmgeschichte, in dem sowohl Vergewaltigungen unter Männern als auch lange, fast philosophische Gespräche über Schuld und Sühne ihren Platz haben. Ein Hardcore-Märchen.

Es war ein cleverer Schachzug von Debüt-Regisseur und Drehbuchautor Frank Darabont, ausgerechnet Babyface Tim Robbins in der Hauptrolle eines mutmaßlichen Doppelmörders zu besetzen. So treuherzig schaut er drein, so still leidend läßt er als frisch eingewiesener Häftling alle Demütigungen über sich ergehen – er muß doch unschuldig sein. Hmm. Bis in die letzten Filmminuten bewahrt sich Robbins‘ Figur einen Berg an Geheimnissen – und da er nicht mal dem anfänglichen Ratgeber und späteren Freund Morgan Freeman die Tragweite seiner Pläne mitteilt, gibt es keinen Grund, die vielen kleinen Clous des Plots schon jetzt vorwegzunehmen. Konzentrieren wir uns vielmehr auf den Kampf ums Überleben. Gegen schlagfreudige Wärter, einen gleichermaßen bibelfesten wie sadistischen Anstaltsleiter und zahlreiche Psychopathen in den benachbarten Zellen muß sich Robbins durchsetzen und er tut dies nicht mit plumpem Machismo sondern mit Köpfchen. Es ist eher ein intellektuelles als ein dramatisches Vergnügen mitanzusehen, wie er sich aus den bösesten Fallen herauswindet, seine Widersacher mit ihren eigenen Waffen schlägt („Ich mußte erst ins Gefängnis kommen, um kriminell zu werden“) und sich nebenbei ein zweites Leben aufbaut.

Doch als man sich dann gerade mit dem Gedanken anfreundet, daß wohl keiner der Gefangenen die Außenwelt jemals wiedersehen wird, ist eine der Zellen urplötzlich leer…