Diverse – Krautrock

Der zum Teil elektronisch, zum Teil konventionell erzeugte, urdeutsche Undergroundsound der späten 60er und frühen 70er, seit jenen Jahren gemeinhin als „Krautrock“ bekannt, feiert seit geraumer Zeit vor allem in England und den USA fröhliche Urstände. Mit Bands wie Can, Amon Düül II, Tangerine Dream, Kraftwerk, Faust, Cluster, Popol Vuh, Ash Ra Tempel oder Neu! definierte sich deutsche Popmusik in jenen Tagen nicht nur vollkommen neu, sondern bot vor allem für das Ausland erstmals eine interessante musikalische Pespektive. Denn wie so oft zählte der Prophet im eigenen Land nur wenig oder gar nichts. Die verschwindend geringe Zahl der damaligen deutschen Plattenkäufer, die sich mit neuen Tönen aus eigenen Landen versorgten, wäre auch heute noch nicht viel größer, hätte sich nicht mit den Jahren ein regelrechter Kult um diverse Krautrock-Pioniere gebildet. Und der basiert, sieht man mal von dem unumstrittenen Ruf als Pioniere ab, hauptsächlich auf der Propaganda ausländischer Künstler wie Julian Cope, John Lydon, Sonic Youth, Stereolab, Trans Am, Ui oder Tortoise. Der auf zwei Silberlinge verteilte Sampler KRAUTROCK mit einer Spielzeit von etwas über zwei Stunden wurde kompetent, wenn auch etwas einseitig genutzt: Mit Tangerine Dream („Joumey Through A Burning Brain“ und „Fly And Collision Of Comas Sola“), Popol Vuh („Nicht hoch im Himmel“), Harmonia („Sehr kosmisch“), Cluster („In Ewigkeit“) sowie Ash Ra Tempel zusammen mit dem LSD-Papst Timothy Leary („Time“) bestimmt die eher meditativ nach innen gerichtete Synthie-Fraktion ungefähr zwei Drittel der Kapazität. Besondere Erwähnung verdient dabei übrigens die Spielwiese des „Kosmischen Marketing Kuriers“ Rolf Ulrich Kaiser und seines Sternenmädchens Gille. Bei seinem eher kindischen Projekt The Cosmic Jokers („Kinder des Alls“) verdingten sich immerhin Szenegrößen wie Jürgen Dollase (Wallenstein), Manuel Goettsching, Schlagzeuger Harald Großkopf (Ash Ra Tempel), Studioeigner und Produzent Dieter Dierks sowie Synthie-Pionier Klaus Schulze. Die ehemaligen Kölner Stockhausen-Schüler Can zelebrieren in „Hallelowah“ und „Sing Swan Song“ ihren mitunter eiskalten, improvisierten Futuro-Funk, während der trommelnde Schweizer Mani Neumeier und seine Heidelberger Landkommune Guru Guru C.Next Time See You At The Dalai Lama“, „The Meaning Of Meaning“) merklich von dessen Jazzvergangenheit zehrt. Ebenfalls jazzverhaftet und dabei heftig politisierend geben sich Embryo mit den damaligen Dauerthemen „Spain Yes, Franco Finished“ und „Revolution“. Der „Eye-Shaking King“ des Münchener Psychedelic-Clans Amon Düül II hingegen basiert bei allem dilettantischen Avantgardewillen eher auf einem Hard-Rock-Fundament. Faust spielen in „Munic B“ mit dem Stereoknopf und nehmen den Industrialsound vorweg. Doch letztlich will die Dose Weißkraut ohne Beilage nicht so recht munden, fehlen doch mit Kraftwerk und Neu! zwei der wichtigsten Impulsgeber.