Diverse: Lesbian Favourites: Women like us
Schwule und Lesben sind pfui. Sie treiben unanständige Sachen. Kriegen auch keine Kinder…-Moment mal, keine Kinder? Dann müßten die doch einen Haufen Kohle auf der hohe Kante haben? So rein verbrauchertechnisch gesehen. Endlich, nachdem der Zigarrettenhersteller West die gesamte Republik mit unbeschwert latenter Gleichgeschlechtlichkeit plakatiert, kommt auch die Musikindustrie auf den Trichter: „Schwule und lesbische Verbraucher haben ein hohes Einkommen und neigen zu loyalem Musikkonsum“, belehrt uns der Waschzettel der Plattenfirma. Und LESBIAN FAVOURITES will sowas wie der Soundtrack zum „Coming Out“ sein. Ein Sampler von Lesben oder solchen, die es eigentlich sein sollten, verdammt nochmal. Es entspricht dem heiligen Zorn eines gerechten Unterfangens, im Booklet gleich die Bösewichtinnen zu outen: Melissa Etheridge, 4 Non Blondes,Tracy Chapman und die Indigo Girls mochten nicht mitmachen. Nun hören Lesben meines Wissens Motörhead, argentinischen Tango, Mouse On Marsjohn Coltrane oder Bush – da mögen sich mediokre Miezen wie Taylor Dayne, k.d. lang, Wendy & Lisa und Tanita Tikaram noch so sehr um subkulturell schwule Credibility bemühen. Und weil gute Musik überhaupt nichts mit Chromosomen zu tun hat, watet dieser Sampler durch politisch korrekt glasierten Durchschnitt. Da gibt es Tiefschläge, wie Jane Siberrys sexistisch dämliches „(Let Me Into Your) Temple“. Aber, gottseidank, auch die countrygedämpfte Ironie der Two Nice Girls („I Spent My Last 10$ On Birth Control And Beer“) und das echte Schmachten von Gretchen Phillips („Swimming“). Lieber die letzten 60 Mark für die beiden richtigen Platten von Two Nice Girls und Gretchen Phillips ausgeben, als auf dem Flohmarkt die letzten 10 Mark für diese durchsichtige Abzocke.
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