Doppelkopf :: Von Abseits
1999: der deutsche HipHop befindet sich auf seinem ersten popkulturellen Höhepunkt. Es ist die Zeit des deutschen Spaß- HipHop – Inbegriff der jugendlichen, hedonistischen Sorglosigkeit.Nicht jedoch für dieses Trio.Doppelkopf – so der Name der Hamburger Crew wird von ebenjener – um es mal etwas hochtrabend zu formulieren – als „Metapher für die Transzendenz des Seins“ verstanden. Und so kommt es nicht von ungefähr, dass MC Falk, damals Anfang 20, in seinen absurden Lyrics die Grenzen und Ambivalenzen von Realität und Fantasie nachzeichnet. In „Die Fabelhaften Vier“ heißt es programmatisch:Wie im Rausch, Sein und Schein verdrehn sich,von Abseits aus zu unwiderstehlich, magnetisch.Zu unvorstellbar bizarr, hier wie da, erreicht dichmit zu langem Arm wie dein Schicksal…Bilder entstehen wie grobe monochrome Illustrationen vor den Augen des Zuhörers. Nach und nach, mit jeder Betätigung des Rewind-Knopfs färben sie sich aber schließlich und verdichten sich zu einer bizarren Comic-Welt. Wummernde Bässe verschleiern wie Nebelschwaden die Textzeilen und werden von DJ Thyes zusammen mit subtilen Streichern, Glockenspielen und Chören unter diese Lyrics gelegt. Womit er auch klanglich zum Leben erweckt, was sich in Falks wirren Textfäden verbirgt – eine düstere Vision vom Großstadtleben.Zwischen Fantasy und Science Fiction erzählt Falk Storys von mörderischen Monstermuscheln, sexy Kätzinnen und dem personifizierten Zeitgeist. Er warnt vor Oberflächlichkeit, Gedankenlosigkeit und Schnelllebigkeit – genau den zweifelhaften Werten, die von der HipHop-Welt mit zu großen Autos, Egos und Hosen nicht gerade selten zelebriert wurden und werden. Häufig bringen erst die klugen Beats, die die Geschichten untermalen, Licht in Falks „düster-melancholisches Traumtanz-Comic-Geflashe“, wie das Licht am Ende eines Tunnels – oder wie der von Falk oft zitierte Mond am Nachthimmel.Mit ihrem Sound hoben sich die drei Tapire Falk, Thyes und Bubbles eindeutig ab vom damaligen Spaß-HipHop ihrer Hamburger Kollegen. Retrospektiv verwundert es daher kaum, dass Doppelkopf mit ihrem ersten und leider auch letzten Album niemals nennenswerte Radio-/Charterfolge feiern konnten. Auf VON ABSEITS findet sich kein Song unter 4 Minuten, Refrains werden oft vernachlässigt und die mehrschichtigen Text- Labyrinthe erschließen sich erst allmählich nach mehrmaligem Hören. Es ist erwachsener HipHop: Adoleszentes Mittelpunkts- streben oder oberflächliche Battle-Reime findet man hier nicht. Zusammen mit Sammy Deluxe und Dendemann rappt Falk im 3D-Format gegen die übrige HipHop-Welt. Ihre Kritik kommt an – und aus – ohne „Nutten“, „Homos“ oder „Schwuchteln“.VON ABSEITS bietet wenig Abwechslung und ist gewiss ungeeignet als Soundtrack für die Party deines Lebens. Doch für Abende, an denen es draußen regnet, Studienarbeiten kein Ende finden wollen und nichts bleibt außer der eigenen gedanken- verzehrenden Tiefsinnigkeit, ist die Platte genau das Richtige. Keine Überraschungen, keine Tempiwechsel, sondern zehn smoothe, oftmals poetische Tracks mit fetten Kopfnicker-Beats zum Chillen – genug der (HipHopper-) Worte?!Nichts neu, immer noch mit nichts vergleichbarund wir kippen ein Meer da aus, wo eben noch ein Teich war. (Nichts Neu)
Vanessa Schneider – 15.02.2008
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