Einsturzende Neubauten – Halber Mensch
Einstürzende Neubauten brachen zur Zeit des Deutsche-Welle-Pops mit allen Harmonie- und Hörgewohnheiten und produzierten Musik, die im Angebot leicht konsumierbarer Klänge wie eine Ohrfeige wirkte. Im ME/ Sounds 9/84 versprach Sänger Blixa Bargeld, eine Platte mit „zeitgemäßen Liebesliedern“ in Angriff zu nehmen – die er hiermit abliefert. Auf Halber Mensch hat die ehemals Berliner Gruppe ihre musikalische Sprache entscheidend erweitert, stilbildende Unterscheidungen gezogen zwischen dem zerstörerischen, atonalen Straßenkrach der frühen Platten und einer mehr positiven Vorgehensweise. Halber Mensch klingt wie ein euphorisches Feuerwerk, bei dem das berüchtigte EN-Arsenal an Stahlblech, Öltonnen und Schlagbohrern nur noch eine begleitende Rolle spielt.
Den Titelsong bildet allein ein beschwörender Chor, nur gelegentlich von einer Baßfigur unterstützt. „Der Tod ist ein Dandy“ zeigt Blixa in Vollendung und eindrucksvoller Theatralik vor einem Buntmetall-Orchester; Blixas lyrische Qualitäten erreichen poetische Höhen auf „Seele brennt“ oder „Das letzte Biest am Himmel“, wo eine ätherische Orgel die Atmosphäre prägt.
Halber Mensch wurde von Gareth Jones produziert, der diese Momente der Ekstase und unbändigen Kraft nuancenreich in Töne geordnet hat. Hier ist die bislang beste EN-LP. Für Hörer, die sich auf ein akustisches Abenteuer einlassen wollen. Für Eingeweihte: (6)
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