Eminem :: All Access Europe 2002

Eine Tour-Dokumentation, eine Biographie und ein Comic: Drei DVDs verraten wenig Neues über den kontroversen Star. Eminem Welches Schweinderl hätten's denn gern?

„He s a walking contradiction, partly truth and partly fiction.“ Diese Worte von Kris Kristofferson werden häufig im Zusammenhang mit Johnny Cash zitiert, treffen aber ebenso genau auf Marshall Mathers III aka Eminem zu. Und so wenig musikalische Parallelen es geben mag – beide Künstler bedienen sich bisweilen der gleichen dramaturgischen Mittel. „I shot a man in Reno just to watch him die“, sang Johnny Cash 1956 und sorgte 38 Jahre später noch einmal für Aufregung, als er in „Delia’s Gone“ einen Frauenmord in der ersten Person schilderte. Eminem vermischt heute als notorischer Ich-Erzähler so gekonnt Fantasie-Geschichten mit vertonten Episoden seiner Jerry-Springer-Talkshow-Realität, dass es für Außenstehende so gut wie unmöglich wird, den „Real Slim Shady“ von Marshall Mathers von Eminem zu unterscheiden. Solange sich der Mann nicht selbst entschließt, Einblicke in sein Leben zu gewähren, gilt weiterhin: „I am whatever you say I am , wie Eminem in „The Way I Am“ so treffend rappt.

Genau deshalb ist es bedauerlich, dass es den Produzenten der unauthorisierten Biographie BEHIND THE MASK (3) nicht wirklich gelingt, die Schale des Entertainers zu knacken. Dabei sind einzelne Inhalte dieses Dokumentarfilms, der aus rechtlichen Gründen gänzlich ohne Original-Musik auskommen muss, nicht uninteressant. So erfährt man, dass Mathers angeblich 1996 versuchte, sich das Leben zu nehmen, nachdem sich drei Jahre zuvor bereits sein Jugendfreund Ronnie erschossen hatte (Remember when Ronnie died and you said you wished it was me!“, beklagt sich Em bei seiner Mutter in „Cleaning Out My Closed). Zudem erzählt ein als „Uncle Todd“ eingeführter Mr. Nelson, dass es der junge Marshall einst bei einem Angelausf lug nicht übers Herz brachte, einen Wurm auf einen Haken zu spießen. Leider allerdings darf „Uncle Todd“ noch viel mehr als das erzählen und langweilt dabei fast so penetrant wie die ehemaligen Gastronomie Kollegen aus Detroit mit ihren banalen „I can’t believe he was making hamburgers here“ – Statements. Die Ausschnitte aus einem Gespräch mit Eminem selbst sind dagegen kurz und entstammen einem Interview, dass während der letzten Europa-Tour mit D12 geführt wurde, die auch Thema der „Behind The Scenes“-Dokumentation ALL ACCESS EUROPE (2,5) ist.

Eminem ist hier Executive Producer und kontrolliert damit selbst, wie viel er von sich preisgeben will. Und dabei wird wenigstens eines klar: Hinter all den Pseudonymen, Kunstfiguren und Künstlerpersönlichkeiten steckt ein einfacher Junge aus Detroit. Ein white boy, dessen Bildung so lückenhaft wie sein IQ hoch ist, dessen Talent so schillernd wie seine Herkunft gewöhnlich ist. „How old is that shit?“, fragt er in Paris, als er den Arc de Triomphe (erbaut 1806-1836) bestaunt, „300 Jahre“, klärt sein Fahrer auf. Eminem: „Wow, that’s older than my fuckin’mum“ ML ACCESS EUROPE kann mit einer Vielzahl solch gehaltvoller Gesprächsausschnitte aufwarten: „Die Show in Hamburg war toll. Wir waren Hamburger“, verkündet Eminem, bevor in beliebig austauschbaren Garderoben und Hotelzimmern in Oslo, Stockholm, Brüssel und Amsterdam bekiffte Lachorgien von D12-Kollegen und Xzibit zu sehen sind. Enttäuschend kurz fällt auch die Backstage-Szene mit Marilyn Manson aus: Em wechselt mit dem Stargast der Hamburger Show vor der Probe kaum einen Satz. Kurzzeitig spannend wird es in Manchester, als sich Manager Paul Rosenberg beinahe gezwungen sieht, die Show abzusagen, bis die Polizei schließlich verspricht, den Star nicht wegen einer „Ecstasy-Einlage“ von der Bühne weg zu verhaften. Als die entscheidenden Gespräche geführt werden, wird die Kamera allerdings vor die Türe gebeten. Gewissen Informationswert hat sicher auch, dass der Kettensägen schwingende Schockrapper mit seinen Homies vor dem Auftritt ein Gebet an einen christlichen Gott richtet.

THE SLIM SHADY SHOW (2,5) ist nicht mehr und nicht weniger als ein akzeptabel animierter Cartoon mit semi-spannender Handlung. Amüsant ist, dass Eminem nicht nur den „Hauptdarsteller“ Slim Shady spricht, sondern auch seinen sanfteren, schmächtigeren Doppelgänger „Marshall“, mit dem „er“ (?] in ständigen Diskussionen moralische Fragen erörtert. In besseren Episoden stiftet Shadys Crew mit Viagra-Pillen Verwirrung auf einer SOUTH PARK-Party, in schlechteren verprügeln die Jungs wahlund grundlos Celebrities. Die nicht von Mathers verfassten Dialoge drehen sich zwar um Em-typische Themen, lassen aber den Wortwitz des Meisters schmerzlich vermissen.

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