Erasure – Cowboy

Als man vor gut zehn Jahren daranging, sich verschärft um Fragen des Stils zu kümmern, Tanzformen zu entwickeln, bei denen man nicht seinen gutsitzenden Hemdkragen vollschwitzen muß, und sich unversehens neben dem Bier mit einem Mal flaschenweise Pinot Grigiot oder gar Moet & Chandon im Kühlschrank einzufinden pflegten, da fielen Bands vom Himmel wie Duran Duran, die Pet Shop Boys oder Erasure. Diese erfanden insektenhafte Töne, die das musikalische Äquivalent zu einem entspannten Dauerlächeln zu sein schienen, uns dazu animierten, noch ein Stück Zucker mehr in den Kaffee pluntschen zu lassen und ungefestigte Männer sogar dazu brachten, sich Rouge aufzulegen und falsche Klungen umzuhängen. Da wußten wir: Jawohl, Kinder, die 80er sind endlich da. Und wenn heute, ein heftiges, helliges Jahrzehnt später, das Erasure-Duo Andy Bell und Vince Clark wieder mal ein neues Album auf den Markt gleiten läßt, dann ist das ein nahezu geschichtsträchtiger Augenblick. Denn auf COWBOY, diesem Wunderwerk dankenswerterweise stehengebliebener Aufnahmetechnik, hören wir das, was seinerzeit den Tanzboden so schwungvoll aufräumte wie ein Stoßtrupp Raumpflegerinnen mit Eimerchen und Blubberseife: den Synthie-Pop, die Schnuckel-Version der Zufriedenheit mit sich und seinem Schaumwein und die Marzipanwerdung aller (gleich- wie gegengeschlechtlichen) Drangsale der Liebe. Auch heute noch arbeiten Erasure – als Vertreter der zweiten Generation bumpender Disco-Techniken – mit den eher sanften Mitteln überschaubarer Rhythmik, einfach wie wirkungsvoll gedrechselter Synthesizer-Schleifchen und liebenswert pop-seliger Friedensgesänge, die das Herz in ruhigem Schritt vor sich hin schwelgen lassen. Die gelungene Atempause: nichts da von zwei Millionen Beats per minute, durchgeknallten Beeps und zwitschernden Sonstwie-Loops. Zwei Schritte zurück sind eben auch mindestens einer nach vorn: COWBOY ist eine lastenfreie Pop-Platte herzensguter Menschen, und auch das Synthie-Pop-Revival wird sowieso irgendwann einmal auf uns zukommen, wartet’s nur ab.