Eye Scream von Henry Rollins

Der Mann hat Humor. „Wo immer der Marlboro-Mann seinen Hut aufhängt, ist es schwul“, findet Mr. Kraftprotz Tattoo-Rollins. Besonders in Acht nehmen sollte sich vor ihm auch so mancher singende Kollege: „Zooropa? Willst du mich verarschen? Was für eine Scheißplatte. Was für eine beschissene Band. Wie lange werden die Leute sich noch so verarschen lassen?“ Ist es Kunst, einen sich auf gut 230 Seiten ergießenden Wutanfall unters Volk zu bringen? Der noch dazu nur höchstens häppchenweise genießbar ist, da thematisch verschwurbelt und vor Negativität, düsteren Psychopathen-Fantasien und Obszönitäten nur so strotzend? Henry Rollins will Kunst machen – und das um jeden Preis. „Statt Ruhe und Einkehr findest du hier Massaker und Metastasen“, unkt er bereits auf dem Einband von EYE SCREAM. „Hier bin ich und attackiere dich mit meinem Anti-Leben.“ Schön, Henry, aber Massaker und Metastasen finden sich auch in jedem Regionalanzeiger mehr als genug – auch, wenn in selbigen Sätze wie „Menschliches Videospiel-Arschloch, lass dir die Nase richten“ oder „Deine Mutter hatte ihre Zähne in meiner Unterhose vergessen“ naturgemäß eher selten anzutreffen sind. Von mir aus geht Henry Rollins auch als kritischer Geist durch, der mit dem American Dream ganz fruchtbar auf Kriegsfuß steht, was ja auch ganz furchtbar richtig sein mag – sich durch EYE SCREAM durchzuackern, ist dennoch ungefähr so unterhaltsam wie eine Darmspiegelung. „Wenn du ein Problem mit diesem Buch hast, schreib einen wütenden Brief, aber adressiere ihn an dich selbst, denn du bist die Quelle dessen, was du hier liest“, donnert er denn schon mal prophylaktisch auf dem Umschlag. Schließen wir denn mit Henrys Worten: „Bück dich. Hier kommt die Kunst.“

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