Fear And Loathing In Las Vegas :: Bedröhnt
„Zwei Beutel Gras, 75 Pillen Meskalin, fünf Blätter mit extrastarkem Acid, ein Salzstreuer voll Kokain, eine ganze Galaxie von Uppern, Downern, Brüllern und Lachern, zusammen mit einer Flasche Tequila, einer Buddel Rum, einem Kasten Budweiser, einer Pulle ungestrecktem Äther und zwei Dutzend Amylnitraten“ verstauen Raoul Duke und sein Anwalt Dr. Gonzo im Kofferraum ihres roten Cabrioflitzers, bevor sie 1971 nach Las Vegas aufbrechen, um dort von einem Autorennen zu berichten. Das ist genug, um den Verstand zweier Männer in einer Art selbstgebasteltem Psycho-Vietnam auf immer und ewig in die Steinzeit zurückzuwerfen – und sicher ausreichend, um zwei Stunden Film bis zum Bersten mit Trips, Visionen und anderen Rauschzuständen zu füllen. Terry Gilliam verschwendet keine Zeit bei seinem Drogenmarathon zum Herz des amerikanischen Traumes, in der Duke und Gonzo von der ersten Szene an halluzinierenderweise einer feindseligen Umwelt nur Chaos entgegenzusetzen haben. Wer hier stringentes Drama erwartet, der hat die Vorlage von Hunter S. Thompson nicht gelesen, die wilde, unerschrockene Subkulturbibel, die zeitgleich mit Marvin Gayes pessimistischer Frage „What’s Goin‘ On?“ den Verlust der Unschuld eines Landes konstatierte, das nur vier Jahre zuvor den Summer of Love gefeiert hatte. Sicher, man kann es ungeheuer abgefahren finden, wenn Thompsons alter ego Duke und sein Partner Gonzo, eine bizarre Kombination aus Laurel & Hardy und Don Ouichote & Sancho Pansa, sich aufführen, als entsprängen sie geradewegs Dantes „Inferno“, nichtexistente Fledermäuse sehen oder sich in der Bar scheinbar plötzlich echte Reptilien statt der gewohnten Lounge Lizards auf den Hockern winden. Aber FEAR AND LOATHING IN LAS VEGAS ist mehr als nur eine beliebige Aneinanderreihung von irren Bildern. Was die ohne Rücksicht auf Verluste aufspielenden Johnny Depp (mit schicker Thompson-Tonsur) und Benicio Del Toro hier erleben, ist ein psychedelisches APOCALYPSE NOW der inneren Emigration, ein Aufruf, daß in einer abgestumpften Welt nur der Wahnsinn wahrer Widerstand sein kann. Schon in 12 MON-KEYS hatte Terry Gilliam einen einsamen Helden losgeschickt, um nach den Wurzeln des Untergangs zu fahnden. Damals war es Fantasy, hier ist es ein Stück Sozial- und Kulturgeschichte, angereichert mit einem adäquaten Soundtrack, der mit der Dead-Kennedys-Version von „Viva Las Vegas“ seinen gerechten Höhepunkt findet. Hunter S. Thompson, noch immer einer der genialsten Spinner unter der Sonne, sah in Terry Gilliams Verfilmung einen „Trompetenstoß, der über einem verlorenen Schlachtfeld erschallt“. Dem ist wahrlich nichts hinzuzufügen.
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