Flowerpornoes – Wie oft musst du vor die Wand laufen, bis der Himmel sich auftut?

Eine der wichtigsten deutschen Bands der 90er zerknittert allen Epigonen das schwarzrotgoldene Autofähnchen und spielt virtuosen lyrischen Gitarrenpop.

Man hatte fast vergessen, wie großartig Tom Liwa ist. In den unzähligen langen Jahren, die seit den tollen Flowerpornoes-Platten der 90er vergangen sind. Jahren, in denen im hiesigen Pop das Mittelmäßige immer beherrschender, das Ungefährliche immer normaler wurde, war er trotz zahlreicher Soloplatten und Konzerte irgendwie ein bisschen über den Wahrnehmungstellerrand gefallen. Es braucht jedoch nur wenige Zeilen, bestenfalls zwei Songs, um zu verstehen, dass der Duisburger Liwa neben Jochen Distelmeyer und Frank Spilker der souveränste, ach was, der einzige echte Pop-Lyriker hierzulande ist. Sicher, Liwa ist ein Hippie, ein barfüßiger Sinnsucher mit Erleuchtungsanspruch, aber wenn man das einmal so hingenommen hat, sollte einem das eigentlich bei der Wertschätzung dieser radikal wahrheitssuchenden Songs nicht mehr im Weg stehen. Den Anfang macht „Rock’n’Roll“, ein absoluter Proto-Eröffnungssong:“.Hier kommen die Jungs mit den Egoproblemen/und ihrem Hang zu arroganten Frauen“, maunzt Liwa unverkennbar und schafft es in ein und demselben Song, einen der leersten Hohlbegriffe der Gegenwart mit schönsten und schrecklichsten Inhalten zu füllen. „Apfelkern“, der offensichtlichste Hit der Platte, klingt wie hanfumwehte Biodynamik vor melancholisch bewölktem Hintergrund. Keines der elf Lieder, die immer wieder von Tim Isfords schönen Streichern kleine Schaumkronen aufgesetzt bekommen, fällt ab. Zwei Stücke jedoch ragen heraus: Da ist zum einen das abgründige“.Sigmund Grimm , dass Freud und die Märchenbrüder zusammendenkt und von nicht weniger als Vertrauen und Furcht handelt. Es wäre blödsinnig, eine der unzähligen großartigen Zeilen dieses komplexen Text-Mahlstroms hervorzuheben, bei Liwa geht es schließlich um mehr als um die gute Zeile. Endgültig alles vorbei ist schließlich bei „Nicolas H „, einem Sprechtext zu akustischem Jazz-Funk, der das Thema Liebe virtuos auf der Metaebene abhandelt. Allein für diesen Song gebührt dem Mann jeder Respekt. Doch wäre da nicht seine feinfühlig Akzente setzende Band, es wäre eben auch nur ein toller Text. Machen wir es kurz: Hier ist sie, die deutsche Band-Platte, die sich mal wieder richtig aus dem Fenster lehnt – mit Songs, mit Herz und Verstand. Trau dem Hippie! VÖ:2.3 >>>

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