Frank Zappa – Shut Up’N Play Yer Guitar
Auf dem Cover des 3 LP-Sets heißt es: „In ihrem Übereiter, Anstoß zu nehmen an dem, was er Schockierendes von sich gab, hat die Musikpresse überhört, was seine Gitarre zu sagen hat. Zappas Soli, wie sie auf diesem Album eingefangen sind, sagen eine Menge Dinge, die möglicherweise jenen Schreibern, die verlernt haben zu hören, die Schamröte ins Gesicht treiben.“
Stellvertretend für die angegriffene Musikpresse möchte ich doch einwenden, daß wir wahrscheinlich eher gelangweilt als schockiert waren und uns nicht jedesmal vor Heiterkeit auf die Schenkel schlugen, wenn der Maestro „Hosen“ oder „Klo“ sagte. Auf der anderen Seite (Hey, ich bin objektiv!) stimmt es schon, daß Zappas Musik nie die Analyse und kritische Auseinandersetzung fand, die sie eigentlich verdiente. Die Schuld dafür aber, so denke ich, sollte Zappa vor seiner eigenen Tür suchen.
Glücklicherweise macht er’s alle paar Jahre auch einmal ohne Verrenkungen und läßt auf Alben wie LUMPY GRAVY, UNCLE MEAT, HOT RATS, THE GAND WAZOO und nun auf diesem Album das „Komödiantische“ in den Hintergrund treten. Ich glaube sogar, daß dieser LP-Set das beste Album ist, das Zappa je gemacht hat. Mehr noch: Er macht geradezu Kleinholz aus den Bemühungen jener Gitarristen, die im Fahrwasser zwischen Jazz und Rock segeln. Anders als die McLaughlins, Coryells und DiMeolas hat Zappa für die Wurzeln der Rockmusik die Liebe und das Verständnis eines Enthusiasten. Balanciert mit einem ebenso tiefgreifenden Gespür für amerikanische Kompositions-Kunst (der Einfluß eigenwilliger Komponisten wie Harry Partch, Charles Ives und Edgar Varese ist offensichtlich), ergibt sich daraus Einzigartiges. Seine unwahrscheinlich fließende Gitarrenarbeit, in der sich sein melodischer Erfindungsreichtum voll entfaltet, läßt keinen direkten Vergleich zu. Trotzdem, in seinen inspiriertesten Phasen, erinnert er mich an einige der bedeutenden Jazz-Saxophonisten. (Zur Erinnerung: „The Eric Dolphy Memorial Barbecue“) Dieses Album zeigt Zappa von seiner bisher improvisatorischsten Seite – sogar dann, wenn sich seine Gitarre durch ein rigoros durchstrukturiertes Umfeld bewegt. Es gibt keine Vocals diesmal – abgesehen von den einmontierten Sprachfetzen zwischen den einzelnen Tracks.
Gleich die erste Nummer, „five-five-Five“ hat mich mit ihrer überstürzenden Wucht vom Stuhl gehauen: FZ verstärkt durch drei Rhythmusgitarristen und Vinie Colaiutas wirbelndes Schlagzeug. Zu beurteilen, welche der drei LPs (SHUT UP’N) PLAY YER GUTTAR/SHUT UP’N PLAY YER GUITAR SOME MORE/RETURN OF THE SON OF SHUT UP’N PLAY YER GUITAR) nun die beste sei, ist so gut wie unmöglich. Alle drei bersten geradezu vor frappierender Ideenfülle.
Unglücklicherweise ist der Begriff „Virtuosität“ in der Rockmusik zum Schimpfwort verkommen – eine Tatsache, die wir dem Tinneff zu verdanken haben, der uns unter diesem Banner angedreht wurde. (Man denkt dabei immer an „Klassik-Rock“ und seine mittelmäßig begabten Wakemans und Emersons oder an Ten Years After und das endlose Blues-Schema). Aber es gibt nun mal keinen anderen Begriff, der Zappas Leistung hier treffender umschreiben könnte.
Leider kann ich hier aus Platzgründen nicht ausführlicher auf diesen Set eingehen, darum nur ein paar Highlights: verwirrende Harmonie-Spiele auf „Pink Napkins“, dann „Variations On The Carlos Santana Secret Chord Progression“ (!) wo die Gitarre über Latin Percussion und eine Greg Rolie-Orgel hinwegsegelt; „Canard Du Jour“ das den 1 -3/4 stündigen Wahnsinn schließlich mit einem Folkmusik-Duett abschließt: Zappa an der Bouzouki und Jean-Luc Ponty an der (Bariton-)Violine. Nach all dem plagt mich jetzt nur noch die Frage, wie ein Musiker dieses Kalibers sein Talent an Songs über gelben Schnee und Unterwäsche-Konkurrenzen verplempern kann?!
Ich wünsche mir schon, daß SHUT UP … zu einem entscheidenden Kernstück in Zappas Karriere wird, obwohl ich da nicht allzu zuversichtlich bin. Vielleicht sollte die CBS dieses Triple-Album in ihre „Masterworks*-Serie einreihen, damit es bis in alle Ewigkeit in Umlauf bleibt.
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