Funk/Soul
Rick James hatte eigentlich immer die größten Grooves und das größte Mundwerk – zu schade, daß er von letzterem nur noch Gebrauch macht, wenn es darum geht, Pinoccio-Prince, seinen erklärten Erzfeind, als krank, kindisch und kleptomanisch abzustempeln.
Mit GLOW (RCA 72362 hält er jetzt sein erstes Album parat, seit ihn ein längerer Krankenhausaufenthalt (im Anschluß an einen Kreislaufkollaps) vorübergehend außer Gefecht setzte. Es ist – zumindest wenn man es als Nachfolger seines vortrefflichen COLD BLOODED-Sets von ’83 durchleuchtet- doch ein ziemlicher Absturz. Am schwersten geschockt hat mich hier die Single „Can’t Stop“ mit ihren durchspurtenden Baß-Sequenzern und kreischenden Rock-Gitarren; auch sonst regieren diesmal gar zu oft die kranken Konventionen von Spät-70er Rock-Funk. Was der Sound durch die schweren, scheppernden Drum-Tracks an Tiefe gewonnen hat, verliert er an Transparenz, und das war – zumindest bei stupiden Trash-Rockern wie „Rock n‘ Roll Control“ – wohl auch beabsichtigt.
Am ehesten lassen sich noch der derbe, drahtige Stone City Band-Funk von „Somebody“ konsumieren sowie die beiden bombastischen, fast schon Spectorhaften Balladen „Sha La La La La“ und „Moonchild“. Aber nach COLD BLOODED klingt GLOW genauso schwach wie PURPLE RAIN nach 1999 klang. Gerade noch: (3) Bleiben wir noch einen Moment bei Rick James: Process & The Doo Rags sind eine Fünferbande von Buffalos Eastside in Two Tone-Schuhen, rasiermesserscharfen Suits und pomadeglänzenden 50er-Jahre-Frisuren (das „Process“ in ihrem Namen bezieht sich auf das chemisch glattgezogene Haar!). Sie werden von Slick Rick betreut und insofern ist ihr TOO SHARP-Debut (Columbia BFC 40021) auch der zu erwartende Do It Yourself-Job ihres Mentors geworden.
Auf Seite 1 faßt er ihre DooNop-Harmonies mit Baß-, Drums und den immer gleich synthetisch klingenden Strings-Flächen ein – was dazu führt, daß jeder Track wie ein Ei dem anderen ähnelt. Bei Teil 2 gibt er sich variabler – „Searching For Love“ ist eine sanft gecroonte Midtempo-Affäre; „The Beils“ die typische Rick James-Zwei-Akkord-Ballade – und „Daddy’s Home“ schließlich ist ein beachtliches Stück A Cappella-Doo Wop. Trotzdem – die besten Songs, die der Mann in letzter Zeit geschrieben hat, scheinen für die Mary Jane Girls abgefallen zu sein! (3) Nach den geistlosen Grooves mit denen uns Con Funk Shun bei TO THE MAX und FEVER gelangweilt haben, war ich bei ELECTRIC LADY (Mercury 824 345-1) auf Schlimmeres gefaßt. Ohne Deodato, dafür mit Larry Smith (Whodini/Run D.M.C.) und Maurice Starr, fehlt es zwar auch diesmal nicht an funktionellen floorstompem, bei denen sie sich ihre Vocal-Arrangements bei der Dazz Band und Midnight Star abkopiert haben, aber ihre neuen Produzenten bringen sie auch in anderen Bereichen auf Vordermann: „Teil Me What You’re Gonna Do“ z.B. ist ein immens soulvoll gesungener Midtempobeater; „I’m Leaving Baby“ und „Circle Love“ sind melodische, klar kontunerte Radio-Soul-Balladen und das Titelstück bedient sich derselben schleichenden und verschleppten Claptracks, die Smith schon bei Whodinis „5 Minutes Of Funk“ so gekonnt eingesetzt hat. Passabler Set, alles in allem. (3) Londons Loose Ends hat es auch für ihre zweite LP WHERE ARE YOU? (Virgin 206 948 620) – wieder Philadelphia verschlagen,wo sie unter Nick Martinellis Aufsicht ihr Budget gehörig überzogen. Aber was sie dafür hingezaubert haben, kann Track für Track seinesgleichen suchen! Zwei von den zehn Songs hier sind Coverversionen, nämlich Bowies „Golden Years“ (gesanglich dem Original überlegen!) und „The Sweetest Pain“ von dem unfehlbaren Dexter Wansell – ein träger, taktvoller Soul-Drifter, wie wir ihn sonst eigentlich nur von den Jones Girls vorgesetzt bekommen.
Im Vergleich zu A LITTLE SPICE sorgen diesmal Experten-Drum-Programme dafür, daß der Sound mehr Kick und weniger Boden hat – die Single „Hangin‘ On A String“ ist mit ihrem luftdurchlässigen Electro-Beat ein blendendes Beispiel dafür. Völlig gleichwertig „Magic Touch“ und „If My Love Makes You Hot“, zwei dynamische dancer, sowie das Titelstück, eine Beat-Ballade mit schwebenden Strings, verträumt-verspieltem Rhodes und lieblichen Close-Harmony -Vocals. Und auch sonst: keine Reinfälle, kein Rock, kein Recycling – fres chic das Ganze! (5) Gleiches gilt auch für die fein aufeinander abgestimmte Jazz/Funk/Samba-Mixtur der Brasilianerin Tania Maria. Tania hat sich ja vom stvaighten Latin-Jazz ihrer ersten – außerhalb Brasiliens – erschienenen LPs PIQUANT und TAURUS etwa gelöst und ist seit COME WITH ME (das Titelstück, ein lockerer, leichtfüßiger Swinger, war so etwas wie ein Kult-Track unter den hipperen Jazz & Soul-DJs) verstärkt zu ätherischen und entspannten Singalong-Melodien konvertiert.
Diese Tendenz setzt sich auch bei MADE IN NEW YORK (EMI) fort. „Don’t Go“ ist eine delikate Midtempo-Affäre, bei der Tanias Finger nur so über die Tasten ihres akustischen Pianos flitzen; „E-Carnival“ hat einen leichten, laxen Samba-Akzent; „My Space“ ist etwas introspektiver, aber nicht minder aromatisch. Das Titelstück, das in einen furiosen Percussion-Part mündet, ist hier der beste Showcase für Tanias vokale loops (ihre glockenhellen Seats kommen auch sonst nicht zu kurz!); „Forock“ ist ein temperamentvolles Jazz/Samba-Frikassee; ihre Ader für leicht nostalgische Mondschein-Balladen (die Lady hegt eine abgöttische Bewunderung 1ür den späten Nat’King’Cole) zeigt sich besonders bei „I Do, I Do Love You“. Ein rassiger, regenbogenfarbener Set – Tanias bislang zugänglichster. (5) Maxis! Levert: „I’m Still“ (Tempre). Wenn ich es nicht besser wüßte, hätte ich hier auf die O’Jays in Bestform getippt! Levert sind Gerald und Sean Levert, die Söhne von O’Jays Lead-Tenor Eddie Levert- und ihr I“l’m Still“ hat alles, was eine stilvolle Philly-Ballade haben muß: tiefe, träge Drums, paradiesische Strings, und – wie gesagt – Vater und Sohn sind beim besten Willen nicht auseinanderzuhalten! (5) Ready For The World: „Deep Inside Your Love“ (MCA) L.A.-Septett, das mit „Tonight“ kürzlich einen Top 10-Soul-Hit unter Dach und Fach brachte und es nun, bei seinem zweiten Wurf, abermals mit einer hochmelodischen, eleganten Teen-Ballade nach DeBarge-Zuschnitt versucht. Ein unpassender und unsubtiler Gitarren-Break raubt dem Ganzen etwas an Format. (3) Curtis Hairston: „I Want Your Lovin‘ (Just A Little Bit)“ (Pretty Pearl). Schwerfällig trottender Moog Bassdancer, um den erst jetzt, ein paar Wochen nach seinem Erscheinen, viel Wind in den besseren Soul-Discos gemacht wird. Hairstons manirierter, etwas überdrehter Tenor erinnert auffallend an Lillo Thomas. (3) B-Boys: „Stick Up Kid“ (Vintertainment). Ihre dritte 12inch, die erste seit ihrem „Rock The House“-Dauerbrenner – und was für eine Steigerung! „Stick Up Kid“ ist ein flammender Hard 7Vmes-Thriller, mit scharfer, stählerner Stimme ins Mikrophon gebellt – gerade so, als ob Meile Mel und sein Mob bei dieser Jam mit von Partie waren. Harter Stoff! (4) Redds & The Boys. „Movin & Groovm“ (T.T.E.D.). Krachende Go Go-Breitseite, respektive Roto-Tom-Rolls, Synth-Granaten, einer höllischen Percussion-Stampede und, wow! – diese Bläser-Salven!!! Was soll ich noch sagen? Shake! Get off your ass and jam!!! (Alle Import-Maxis u.a. über TSR. Wiesenstr. 31. 6054 Rodgau. 06106-2051)
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