Funk/Soul

Marvin Gayes erstes posthumes Album, DREAM OF A LIFETIME (CBS 26239), hat bei mir recht gemischte Gefühle ausgelöst: Zunächst einmal liegt es nahe, daß der Mann mit den Aufnahmen zum Nachfolger von MIDNIGHT LOVE längst noch nicht so weit fortgeschritten war, wie man uns nach seinem Tod immer wieder versicherte: zum anderen krankt es daran, daß hier Material, (das ich vage um die Zeit von HERE MY DEAR zurückdatieren würde), mit Strings und Background-Chören z.T. doch etwas ungelenk präpariert wurde.

Die ersten drei Songs sind neueren Datums, allerdings ist wohl fraglich, ob „Savage In The Sack“ und „Masochistic Beauty“ – nach denen einem frühere Gaye-Hits wie „You Sure Love To Ball“ so zahm wie Wiegenlieder vorkommen müssen! – je ihren Weg auf diesen Set gefunden hätten, wäre CBS nicht so knapp an halbwegs brauchbarem Material gewesen. Die rühmliche Ausnahme ist hier sicherlich die Single „Sanctified Lady“, bei der die Grenzen zwischen Sex und Spiritualität völlig verschwimmen.

Von den älteren Tracks lassen sich „Life’s Opera“ mit seinen königlichen Gospel-Kadenzen und Chorälen und das bedrückend prophetische Titelstück noch am besten an. Der Rest wäre in dieser Form wohl nur über Marvins Leiche dem Studio entwichen. (3) Bei ihrem STREET BE-AT-Debüt konnten sich die fünf Cincinatti-Funkster von The Deele noch auf Schützenhilfe von Home Boy Reggie Calloway (Midnight Star) verlassen. Daß man ihnen nun bei MATERIAL THANGZ (Solar/TSR 330301) die Produktion selbst überließ, fällt weiter kaum auf, denn jeder einzelne Track hätte problemlos auf Midnight Stars PLANETARY INVASION seinen Platz finden können.

Die erste Single-Auskopplung „Material Thangz“, ist ein pfundiges Electro-Monster, bei der sie den Charit von „Body Talk“ (ihrer von Midnight Star verfaßten Soul Nr. 1 vom Herbst ’83) durch „… uh-ah, rnaterial thangz, baby, can’t buy my love…“ ersetzt und mit den Beat Box-Grooves von „Operator“ gekoppelt haben. Klingt auf dem Papier weniger originell als auf Platte, aber es funktioniert! Im übrigen: War nicht schon „Operator“ ein melodischeres Remake von „Freak-A-Zoid“?

Bei „Sweet Nothingz“ besetzen Sie dann The Time/ Jesse Johnson-Territorium: „Stimulate“ ist ein schwerfälliger Midtempo-Dancer, ausgezeichnet gesungen (einer von den beiden Sängern kann sich eines Howard Hewett-verdächtigen Falsetts rühmen!). Die drei hier versammelten Balladen sind ebenso melodisch maniriert, vergleichbar mit den slowies von Dreamboy und Ready For The Werld. Alles zusammengerechnet ein respektabler Nachfolge-Set zu STREET BEAT. (4) Recht angenehm überrascht haben mich auch Klique, die nach dem unerwarteten Hit, den sie mit ihrem Jackie Wilson-Cover „Stop Dogging Me Around“ genossen, jetzt endlich mal ein zu großen Teilen vertretbares Album – LOVE CYCLES (WEA 251 139-1) zusammengestellt haben. Versteht sich fast schon von selbst, daß sie es auch diesmal mit Coverversionen versuchen, nämlich mit Jackie Wilsons „A Woman, A Lover, A Friend“ und Garnett Mimms „Cry Baby“ beide von dem den Commodores entlaufenen Thomas McCIary produziert, beide fehlerlos wiedergegeben, aber ohne Aussichten, den Coup vom Vorjahr zu wiederholen.

Dafür wartet LOVE CYCLES mit einer Parade flotter Midtempos auf – das Titelstück ist ein trefflicher Electro-Beater; „Another Day, Another Night“ und „Be Ready For Love“ sind zwei soulvolle Swinger. Daß sich ein paar üble Rohrkrepierer unter die Funk-Tracks auf der B-Seite gemischt haben, verwischt den guten Gesamteindruck etwas. Im übrigen ist mir schleierhaft, warum hier bei insgesamt 10 Tracks sieben (!) verschiedene Produzenten antreten mußten? (3) Debüts fallen selten besser aus wie Freddie Jacksons ROCK ME TONIGHT (Capitol EJ 2403161)- ein Album, für das ich diesen Monat alles andere stehen und liegen iassen würde. Freddie ist der geborene Ladies Man: Vergleiche mit vokalen Vulkanen wie Teddy, Marvin und Luther hat er schon zur Genüge gehört, belassen wir es einstweilen damit, ihn in einem Atemzug mit den soulvollsten neuen Croonern – Alexander O’Neal, Glenn Jones, Randy Hall. Beau Williams und Eugene Wilde – zu nennen.

Das ganze Album hat einen leichten Kashif-Touch (wenngleich die Synths etwas gedämpfter eingesetzt werden) – kein Wunder, findet sich doch unter den Produzenten mit Paul Lawrence Jones ein ehemaliger Kashif-Adlatus. Song für Song ist excellent, lediglich der Billie Holiday-Standard „Good Morning Heartache“ fällt etwas ab. Und daß bei dem Titelstück, einer ultrasoulvollen, „Sevual Healing“/“Gotta Get You Home With Me Tonight“ in nichts nachstehenden Beat-Ballade, schon Mädchen die Plattengeschäfte stürmten und nach Marvins neuer Single fragten – nun, das sagt eigentlich alles. (6) Kurzen Prozeß können wir mit der neuen LP der Reddings machen, IF LOOKS COULD KILL (Polydor 823 324-1 Y-1). Trotz der Unterstützung von Produzenten wie Larry Blackmon (Cameo) und Hubert Eaves (D Train), spulen Otis‘ Cousin Mark Lockett und seine beiden Söhne. Dexter und Otis III, ihr Pensum an hartem, horrend unsubtilen Funk herunter, wie schon zuletzt bei ihrer ziemlich verunglückten BACK TO BASICS-LP. Einzig der relaxte Synth-Drifter „Talk’s All Over Town“. der Macho-Funker „In My Pants“ und die obligatorische Ballade „Where Did Our Love Go“ heben sich etwas vom Klischee-starrenden Rest ab. (2) Maxis! Dutch Robinson: „Change Your Mind“ (CBS Associated). Ex-Ohio Player, den wir zuletzt mit seinem Synth-Stomper „Happy“ gehört haben. „Change Your Mind“, produziert von dem New Yorker Dance/Disco-Veteranen George Kerr, ist eine deutliche Verbesserung, ein langsam brennender Midtempo-Traber mit zähflüssigen Strings. eingesprengten Marimba-Sounds und einer soulvoll klagenden Vocal-Performance. (4) Boogie Boys: „A Fly Girl“/“City Life“ (Capitol). Street-srnart und erstaunlich sophtsticated (vergleichbar mit Whiz Kids „He’s Got The Beat“) klingen die Boogie Boys bei „City Life“ – bei „Fly Girl“ reißen sie sich dann Whodinis „Big MouVr“-Heartbeat unter den Nagel. Spritziger Rap bei beiden Jams! (4) Lovebug Starski: „Rappin'“ (Atlantic). Titelstück des ersten „echten, wahren, authentischen Hip Hop-Films“ (wenn ihr Run D.M.C. Glauben schenken wollt), von Larry Smith, dem begabtesten Electronic-Produzenten neben Kurtis Blow, eingefahren, und mit einem hart hämmernden Drum-Track und einem hymnischen Kinderchor versehen – wird Zeit, daß der alte „T Connection“/“Fever“-Veteran (nicht mit Busy Bee Starski zu verwechseln!) endlich mal über seinen Kult-Status hinauswächst! (3) (Alle Import-Maxis u.a. über TSR; Wiesenstr. 31, 6054 Rodgau 2, Tel.: 06106/2051-55)