Funk/Soul

Ehre wem Ehre gebührt -— also Vorhang auf für Melisa Morgan und DO ME BABY (Capitol ST-12434), ein Soul-Vollblüter, wie er wahrlich nicht alle Tage auflauft, größtenteils von der Lady, zusammen mit Lesette Wilson, selbst geschrieben und produziert.

Ex-Kashif-Kompagnon Paul Laurence betreute allerdings den Titeltrack, das beste Prince-Cover, was mir bis dato zu Ohren gekommen ist: ein träge tropfender Beat, die Hauptakteurin tastet sich langsam hinein —- und dann dieser Break: Ein gewaltiger Chor forciert das Thema. Drums prasseln wie ein reinigender Gewitterregen hernieder — und Melisa hält mit voller Kraft dagegen.

Eine ähnlich gute Figur gibt sie bei „Now Or Never“ und besonders „Do You Still love Me?“ ab, zwei weiteren hochkarätigen Slowies. Erste Wahl im Groove-Department ist „Fool’s Paradise“, wo ein statischer Beat gegen ein ruheloses Baß-Motiv schlägt, dicht gefolgt von Freddie Jacksons Beitrag „Heart Breaking Decision“.

Stimmlich muß Melisa kaum Konkurrenz fürchten: Sie kann grantig und energisch zupacken und schon im nächsten Moment ungemein geschmeidig über das jeweilige Backing gleiten, ohne je an Kontrolle oder Präsenz einzubüßen. Tres bon, Melisa! — setzen bitte, eine (6).

Wie man Hardcore-Gospellyrics und Dancefloor-Erfordernisse in Einklang bringen kann, demonstrieren The Winans aus Detroit mit LET MY PEOPLE GO (WEA 925344-1), nach mehreren lndependent-Produktionen ihr Einstand für Quincy Jones‘ Qwest-Label. Das Titelstück, vorab schon als Single zu haben, macht auch hier das Rennen: Der Inbrunst, mit der die vier Brüder den hin- und hertorkelnden Baß-Groove für ihre Zwecke zu nutzen wissen, dürften selbst gestandene Atheisten kaum gewachsen sein: dazu Statements, wie sie direkt aus einer aktualisierten, der Befreiungskirche nicht gerade abgeneigten Neuauflage des Buches der Bücher entnommen sein könnten: „… the same Situation in Poland and South Africa … Satan is behind it all …“ Nun ja …

Im Restprogramm können noch „Choose Ye“ und „Very Real Way“ gefallen —- insistierend funky und sogar mal wieder ein akzeptabler Gitarren-Break. Und die wohldosierten Sentiments von „Special Lady“ gelten nicht einer verflossenen Liebschaft, sondern der kürzlich dahingeschiedenen Großmutter -— in diesem Kontext wohl auch kaum verwunderlich. (4)

Was tun, wenn die anvisierte Sangeskarriere steckenzubleiben droht? Keine Frage: Jimmy Jam und Terry Lewis zu Rate ziehen, sofern deren vollgepackter Terminplan das überhaupt zuläßt.

Für Janet Jackson und CONTROL (A&M 395106-1) reichte die Zeit offenbar noch. Zwar flüstert uns Janet gleich zu Beginn im Titeltrack-lntro, daß sie nun endgültig alles im Griff habe —- doch im Grunde ist sie den Ideen und Sounds der beiden natürlich hoffnungslos ausgeliefert. Und Jam & Lewis schlauen, bedenkt man das begrenzte Vokal-Repertoire ihrer Kandidatin, weitgehend die richtige Route ein, versuchen gar nicht erst, sie als Sängerin herauszustellen, sondern integrieren Janets Stimme einfach als weiteren Effekt in ihren Produktionsalmanach. (3)

Nach allzu langer Sendepause, bedingt auch durch den Breakdown von Philadelphia International, meldet sich Philly-Altmeister Billy Paul wieder mal zu Wort: LATELY (TEL 8-5711) heißt sein Debüt bei Total Experience.

Bei „Sexual Therapy“ lugt der Marvin Gaye-Rip-Off natürlich aus jedem „Klick“ des Drum-Computers, aber Variationen dieser Thematik, zumal so kompetent gehandhabt wie hier, läßt man sich gern gefallen. Frech auch, wie Paul in „Me And You“ noch einmal sein altes Erfolgs-Seitensprungdrama „Me And Mrs. Jones“ herbeizitiert. Ansonsten: Klassische Balladen und Midtempo-Soul-Sophistication erster Güteklasse, man höre etwa „Get Down To Lovin'“ oder „Hot Date“. (5)

Wie schon beim Vorgänger setzt Evelyn King auch mit A LONG TIME COMING (RCA PL87015) auf die Künste diverser Produktionsteams. Erwartungsgemäß gut schneidet Rene & Angelas „Spellbound“ ab, das von einem wummernden Stop & Go-Moog-Baß angetrieben wird. Mit agilen Dancern wie „Chemistry Of Love“ oder „If You Find The Time“ ist Evelyn ebenfalls ordentlich bedient, beides Elaborate der T. Life-Philadelphia-Crew.

Weniger erwärmen kann ich mich für Hawk Wolinskis Beiträge, ein Sam Cooke-Remake (der Titelsong) und das an sich recht hübsche, aber arg gitarrenverseuchte „Slow Down“. Blieb noch das leichtfüßige „Your Personal Touch“

zu erwähnen, während „If I Let Myself Go“, leider die einzige Ballade, unter leichten Produktions-Defiziten zu leiden hat. (3)

Ihren Einstand bei Motown geben Katherine Joyce und Chuck Wansley alias Warp 9 mit FADE IN FADE OUT (Motown/RCA ZL72414), geschrieben und produziert vom New York-Clan um Richard Scher und Lotti Golden. Obwohl auch die Remix-Maniacs Morales und Munzibai mit von der Partie sind, halten sich die Produktions-Exzesse einigermaßen in Grenzen, doch mangelt es vornehmlich an durchsetzungsfähigem Songmaterial.

„Skips A Beat“ gibt eine potente Dance-Single ab, „Dirty Looks“ und „You’ll Get Over lt“ gehen als passable Midtempos durch, und das hymnische „Reach For Your Star“ wird durch ein flockiges Piano-Solo aufgewertet. Der Rest: Trash-Disco und Rock-Gitarren. Knapp: (3)

Abschließend noch ein kurzer Blick an die Maxi-Front. Ein neuer Stern am Brit-Soul-Himmel scheint mit Ruby Turner aulzugehen. Die Grazie und Vehemenz, mit der sie, sauber produziert von Billy Ocean und von Jonathan Butler als Duett-Partner gefordert, den alten Staples-Klassiker „If You’re Ready (Come Go With Me)“ (J1VE 6.2(148(1) recycelt, berechtigt jedenfalls zu den größten Hoffnungen. Die zwei B-Seiten-Tracks fallen zwar etwas ab, doch wenn man weiß, daß für das zu erwartende Album u.a. auch Cecil & Linda Womack als Songlieferanten rekrutiert wurden, kann die Devise eigentlich nur lauten: Come Go With Ruby! (5)

Warum die Solo-Karriere der Ex-Labelle-Chanteuse Sarah Dash nie so recht ins Rollen kam. wird wohl unerfindlich bleiben. Fest steht, daß sie auch mit „It’s Too Late“ (York YRC 786-24) kaum in kommerziell ergiebigere Gewässer wird einfahren können — schade eigentlich: Im Duett mit ihrem neuen Protektor Dr. York ist Sarah bei dieser ätherischen, von perlenden Piano-Läufen gesäumten Ballade recht gut aufgehoben -— zuviel sophistication für ein breiteres Publikum fürchte ich. Auf der B-Seite gibt’s das Ganze nochmal als kleines Hörspiel (= Rap-Version) (4).

(Alle Importe u.a. über TSR, Wiesenwstr. 31, 6054 Rodgau 2, 061 06120 51-55)