Funk/Soul
Wer sich einst an seiner köstlichen „Juicy Fruit“ labte — wer nicht, hat ohnehin die falsche Rubrik erwischt—, dürfte schon sehnsüchtig auf ein neues Werk von James Mtume gewartet haben. Das liegt jetzt vor, heißt THEATER OF THE MIND (Epic/CBS 26923) und komprimiert wiederum beispielhaft die Fähigkeit eines Mannes, der sich wie kaum ein anderer in den letzten Jahren einen eigenen, unverwechselbaren Sound erschaffen hat: Mtume — sprich: Em-Too-May — serviert die trockensten Grooves im ökonomischen Zuschnitt, die cleversten Synth-Einstellungen, die witzigsten Hörspiele und versprüht dazu beißendes Society-Sperrfeuer. „Listen to the lyrics …“ fordert er — und das lohnt sich schon: „New Face Deli“ nimmt die MTV-gerechte Gesichtschirurgie aufs Korn — und „Deep Freeze“. mit einem Gastspiel der Parade-Rapper Jeckyll & Hyde, entlarvt humorvoll die Lügen-Litanei offiziöser Verlautbarungen. Natürlich dürfen auch die innigen Slow-Duette („Body&Soul“!) nicht fehlen, und Sängerin Tawatha erlebt ihre Sternstunde bei „I’d Rather Be With You“, einer fast schon abstrakten Liebes-Ballade, die nur von einem dumpfen Drum-Metronom bedächtig auf Kurs gehalten wird. Kurzum: Essentielles Kraftfutter für Herz. Hirn und Körper! (6)
Fällt Eure Kaufentscheidung zugunsten von Bonnie Hill und YOU GOT ME RUNNING (10 Rec/804 966-938/AIS) aus, seid Ihr gut beraten, jeweils den Auftakt beider Seiten zu überspringen. Weder der sequencervergiftete Rock-Sprint des Titelsongs noch der abgestandene Rock-Funk von „Something Special To Me“ sind ein würdiger Rahmen für Hills ultra-soulfulle Vocal-Creme.
Abgesehen davon hat er sein selbstgeschriebenes Debüt jedoch gut im Griff. Zwar erreicht keiner der restlichen Tracks die Klasse des superben, hier nochmal vertretenen Vorab-Appetizers „Galveston Bay“, aber relaxte Soul-Swinger vom Schlage „Keep On Dancing“ und fordernde Funk-Vorlagen reichen als Grundierung allemal aus. um eine der besten, neueren Stimmen in füll ßghi zu präsentieren. Und „Could It Be Love“ ist eine vorzügliche, verklärte Ballade, leider die einzige auf dem gesamten Album (5)
BIG & BEAUTIFUL (Sutra/WEA 253 077-1) -— na, wen haben wir da? Richtig geraten, hinter soviel Selbstbescheidung können sich eigentlich nur die Fat Boys verbergen. Schwer in Schale geworfen, laden die Junk Food-Meister aller Klassen diesmal zur feuchtfröhlichen Faschingsparty. Die olle „Sex Machine“ vom ollen James noch einmal und schwer an der Vorlage klebend zu recyclen, muß allerdings als wenig origineller Auftakt gewertet werden. In Einzeldosierungen genossen — empfohlen wird hiermit das grunzende Love-O-Rama des Titelsongs — bleibt ihr Beat Box-Berserkertum allemal amüsant, doch zum frühen Morgen hin geht der Unternehmung, wie auch den Jungs auf der Coverrückseite, das Stehvermögen flöten. (3)
Es war abzusehen: Irgendwann würde El DeBarge seinem Geschwister-Clan die rote Karte zeigen und allein den Weg in die Pop-Charts anstreben. Damit er auch garantiert dort ankommt, wurde für sein Solo-Debüt (Gordy/ Motown ZL 72441) Mainstream-Spezi und Wahlkalifornier Peter Wolf eingeschaltet, der den Phil Collins-Funk von „Who’s Johnny“ auf seine Kappe nimmt. Zugleich auch, wie sollte es anders sein. Eis Beitrag zur musikalischen Gestaltung einer demnächst ins Haus stehenden filmischen Pubertätsklamotte — das nenn‘ ich Karriereplanung. Im Restprogramm kommen vornehmlich diejenigen auf ihre Kosten, die Ausschau nach einer wenig aufregenden Kulisse für eingespielte Schäferstündchen halten — hübsch & belanglos. (2)
„Wave your Freak Flag, wave your Freak Flag …“ Rick James zeigt stolz THE FLAG (Gordy/Motown 6185 GL) -— ein glatter Fall von Selbstüberschätzung, ist man fast geneigt zu konstatieren. Bei Prince kupfert Motowns Macho mit der niedrigsten Scham-Grenze die Orthographie ab („R U Experienced“); bei sich selbst den stromlinien-/gleichförmigen Breitwand-Funk, der mir zunehmend weniger Freude bereitet. Die Drums stehen wie immer in der Waschküche, gewaltige Synthi-Wellen spülen drüberweg und die jaulende Rock-Einlage kommt
auch nicht zu kurz. Brav mahnt er Abrüstungsbemühungen an („Funk in America/Silly Little Man“), preist die Vorzüge eines „Sweet And Sexy Thing“, so daß nur das von einem zügigen Piano durcheilte „Free To Be Me“ und „Slow And Easy“ eine (3) retten.
Teena Marie gehört zu den wenigen Frauen in dieser Sparte, die sich zu Recht mit dem Emanzipations-Etikett schmücken dürfen. Sie singt, spielt, schreibt, produziert, arrangiert und lud für EMERALD CITY (CBS/ EPIC 40318) Branford Marsalis, Stevie Ray Vaughan (?) und Bootsy Collins zu Gastauftritten ins Studio. Ist die Gewöhnungsphase hinsichtlich ihrer hysterischen, überkandidelten Vokal-Akrobatik erstmal durchlaufen, kommt der gewillte Connaisseur durchaus auf seine Kosten. Neben der enorm zähflüssigen Slow-Affäre „Love Me Down Easy“ lohnen insbesondere die feist klatschenden Funk-Muster des Titelsongs und der Moog-Brecher „Lips To Find You“ einen intensiveren Einstieg. Und den HM-Einlagen kann man, wie in „You So Heavy“, schon fastteine komische Note abgewinnen. (4)
Background-Chanteuse strebt nach Höherem, 27. Folge: Dee C. Lee, zunächst bei Wham!, dann im Stil-Konzil (unter-)beschäftigt, hat ihre bösen Single-Flops offenbar gut verdaut und liefert mit SHRINE (CBS 01-6363434) einen angenehmen Solo-Einstand ab, der ihre zart-verletzlichen Bemühungen angemessen auffängt — abgesehen von „Still The Children Cry“, das allzusehr an Pater Paule gemahnt. Träge Midtempos liegen ihr dabei am besten — und „See The Day“ ist ein schönes, mit Mut zum Schmalz orchestriertes Melodrama. (4)
Impressionen aus dem Morgenland bescheren uns Loose Ends, die mit einer Vorab-Maxi geschickt die Spannung auf das demnächst anstehende Album anheizen. „Stay A Little While, Child“ (Virgin 860 389-975/AIS) hat nicht den Instant-Effekt und das Format eines „Hangin“ On A String“, brennt sich aber ganz langsam und zielsicher fest, bis jede Feuerwehr zu spät kommt. Nick Martinelli hat wieder, mit dem sicheren Blick für luftige Freiräume und kleine Nuancen, exzellent produziert. (5)
War klar: Nachdem „You To Me Are Everything“ von The Real Thing erfolgreich exhumiert wurde, wird jetzt auch noch „Can’t Get By Without You“ (PRT 860 396-975/AIS) nachgeschoben, genau wie der Vorgänger vor 10 Jahren, nach den Miracles und vor Barry White, einige Wochen die Nr. 1 der GB-Charts. Und damit keiner, der’s nicht besser weiß, mit dem Oldie-Aufkleber kommt, mühte sich Bob Mallet am Mischpult mit einem Decade Remix. War‘ doch gar nicht nötig gewesen — der zarte Philly-Schmelz tut’s auch so immer noch. Puristen werden auf der B-Seite mit zwei weiteren Titeln im Original-Gewand entschädigt. (4)
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