Funk/Soul
Jeder Megastar zieht ein Heer von Epigonen nach sich. Das kann in eine kreative, frische Szene ausarten, wie bei Prince in Minneapolis. oder zu plattem Replikantentum im unteren Chartbereich.
Vesta Williams klingt auf ihrem Debütalbum VESTA (A&M 3% 921-1 j aufdringlich nach Janet Jackson. Das liegt jedoch ausschließlich an der modischen Produktion, denn eigentlich hat sie eine viel tiefere Stimme, die nur vom gekupferten, scharfkantigen Discokorsett zur Mittelmäßigkeit verdammt wird. Erst in den Balladen kann sie sich voll entfalten und schafft sogar soulige Spannung. (3)
Krieg der Geschlechter! Die Jungs haben die Schnauze voll von den Mädels — und die Mädels schlagen die Chauvis mit ihren eigenen Waffen. Fast zu jedem Hip Hop-Hit gibt es einen Gegen-Rap. DJ Jazzy Jeff& Fresh Prince bringen die Sache auf den Punkt: „Girls Ain’t Nothing But Trouble“ (Maxi Teldec 6.20684). Frisch, fröhlich und frauenfeindlich lästert Fresh Prince über seine letzten Affären — und Jazzy Jeff scratcht dazu mit der Titelmelodie von „Bezaubernde Jeanny“.
Die beiden haben auch gleich die Antwort produziert: DJ Jazzy Jeff und Fresh Prince wehren sich verzweifelt, aber Ice Cream T und ihre Freundinnen rücken den beiden arroganten Hahnreis gehörig den Kopf zurecht: „Guys Ain’t Nothing But Trouble“ (Maxi Word Up Records). Beide: (4)
Kool Moe Dee hat, nachdem er sich eine prima Geschlechtskrankheit eingefangen hat, die Schnauze ganz voll. Nach eigener Einschätzung ist er zwar ein rasanter Herzensbrecher und eine Bombe im Bett, der die Mädels nimmt wie sie kommen. Doch es gibt ein böses Erwachen zum genialen Simpel-Groove: „Why is my ihing huning like ihis?“ („Go See The Doctor“. Maxi Teldec 6.20699 AE, 5)
Doug E. Fresh bekam die Quittung für seine eingebildeten Beschwerden über die unersättlich liebeshungrigen Mädels von der ersten reinen Mädchen-Hip-Hop-Gruppe Salt’n Peppa serviert. Sie schändeten seinen Monster-Hit „The Show“ mit einer „Showstopper-Version. Weil sie so schön aggressiv sind, einen hervorragenden harten Beat haben und ihre Disc-Jockeuse Spinderella genügend Einfälle für ein ganzes Album hat, haben sie jetzt HOT. COOL & VI-CIOUS (Next Plateau PL 1(1(107) eingespielt. Erbarmungslos machen sie die Liebesmühen der Herren lächerlich: „Glaubt ihr vielleicht, wir interessieren uns für das, was ihr in der Hose habt?“ (4)
Doug E. Fresh schwingt sich unterdessen zum Moral- und Sittenwächter auf, startet seinen Abtreibungsrap „Abortion“ mit Spieluhr und Babygeschrei und redet den gottlosen Sünderinnen ins Gewissen. Zum Glück hält er sein Sendungsbewußtsein über den Rest seines Debütalbums OH MY GOD (Danya F-9649) im Zaum und liefert wie gewohnt spritzige Human Beat Box-Kunststücke und leichtfüßigen Get-Fresh-Crew-Groove. (4)
Auch Go Go-Papa Chuck Brown kümmert sich rührend um das Liebesleben der lieben Kleinen. Nachdem seine Maßhalte-Predigt nichts genutzt hat. mochte er auf BABIES MAKING BABIES (Maxi Future F-0014) böse Folgen verhüten: „Ijyou nuist do, ijyou will, I heg you should been usin the /;///“. Untendrunter souhger Go Go FunkvonT.N.T.(4)
Auch die Mädchenband Klymaxx sprüht auf ihrer zweiten LP (Intercord) nicht gerade vor Einfallsreichtum.
Plumpe Drumcomputer-Songs, die nach Standardformeln zusammengezimmert wurden und leidlich erotischer Gesang (Gipfel der Selbsterkenntnis: „I’m so sexy“ — und nicht mal Co-Produzent George Clinton
konnte etwas retten). Von Klimax keine Spur. (2)
Den massivsten, heisersten und genialsten Gü Go Funk gab es beim Trouble Funk-Konzert in London (Die Zeitschrift „The Face“ zahlt es zu den sechs wichtigsten Ereignissen des letzten Jahres). Nur schade, daß sie immer noch keine neuen Nummern haben. Der Livemitschnitt SAY WHAT! (4 th & BAVay/Island DCLP 1(11) macht deutlich, was für exzessive Partydimensionen das Konzert hatte. (5)
In Philadelphia entwickelt sich derzeit eine eigenständige Rap-Szene. die ihren Helden Schoolly D zwar nicht in die Charts, aber immerhin in die internationalen Dancefloor-Kolumnen gebracht hat. Auch Steady B reitet den Philly-Rap: knochentrocken prügelnder Computer-Beat. sparsame Scratchbreaks und aggressive Reimkanonaden. Bis auf einen kurzen R’n’B-Ausflug ist BRING THE BEAT BACK“(Jive-RCA 1020-1-J) noch asketischer als L. L. Cool J. (4)
Nicht minder hart, aber wesentlich einfallsreicher sind Stetsasonic auf ihrer ersten LP ON FIRE (Tommy Boy/ WEA 254574-1). Schwer nach vorne marschierend rappen sie sieh durchs Hip-Hop-, Go-Go- und Heavy-Metal-Diekicht. Sie klingen dabei nicht eine Sekunde kalkuliert, sondern 100% nach Straße. (5)
Doch Langweiler des Monats wird mit Abstand Gregory‘ Abbott, der es irgendwie geschafft hat. das Titelstück seines Albums SHAKE YOU DOWN (CBS 450061 1) in die Charts zu hieven. Kann man nicht irgend etwas gegen die Produzenten unternehmen, die immer noch die Fabriksounds des DX-7 benutzen? Tolldreist platte Nummern und die Eeny ineeny miny moc-Linie in der fünfhundertsen Version. (1)
Greuel-Nachricht des Jahres: Der Jazzrock kommt zurück. Als hätten wir nicht genug gelitten. Doch wenn selbst Prince auf seinem Label Fusion-Musik produzieren läßt, muß es wohl amtlich sein. Der Mann weiß normalerweise, was er tut. Madhouse plätschern auf 8 (Paisley Park/WEA 925454-1) harmlos instrumental herum — und weil ihnen nicht einmal Titel für ihre Nümmerchen einfielen, sind die Stücke einfach durchnummeriert (von eins bis acht, ganz richtig). Da können auch ein paar gnädige Prince-Klischees nicht darüber hinwegtauschen, was hier gespielt wird. (2)
Wenn schon zurück in die Siebziger, dann bitte Disco und Space-Funk. Rose Royce waren wieder im Studio, haben ihren charakteristischen Sound auf FRESH CUT (Chic 6.26435 AP) aber leider zeitgemäßer Chart-Tauglichkeit geopfert. Trotzdem machen sie schönen Mainstream-R’n’B mit ekstatischen Gesangsparts von Ricci Benson. schiinen Balladen und eingängigen Midtempi. (4)
Noch weiter zurück. Die Firma Streetsounds hat sich an die Wiege der Discomusik begeben und eine opulente Kassette mit 14 LPs voll sattem Phillysound zusammengestellt. So viele Streicher und Bläser und WahWah-Gitarren und pathetische Sangeskünstler für hundert Mark gibt’s sonst nirgends. Alles was man von M.F.S.B., Hamid Melvin, Billy Paul. Lou Rawls. den O’Jays. Teddy Pendergrass. den Jones Girls und. und, und schon immer mal wieder hören wollte. (5)
Die Maxiklassiker Afrika Bambaata mit der Soul Sonic Force gibt es jetzt auf LP: PLANET ROCK^THE AL-BUM (Tommy Boy TBLP 1007). Plus unveröffentlichte Hämmer des Führers der Zulu-Nation mit Meile Mel, Trouble Funk und MC G.L.O.B.E. Satt produzierte, vollfette Rap-Exzesse mit Legenden-Qualität. (5)
Was man vom zweiten HOUSE SOUND OF CHICAGO-Sampler (BCM DJ. 33-3003-43) nicht behaupten kann. Aber es geht auch nicht um legendäre Musik, sondern um Tanz-Software am laufenden Meter. Und da ist man mit dem zweiten House-Sampler von DJ. International gut bedient — achtmal Elektrobeat von u.a. Chip E., Mark Imperial und Fingers Inc. in Maxilänge und -Tonqualität. Wenig Einfälle, aber es macht schön Bummbummbummtschakkakkakbummbumm … (4) FUNK/SOUL
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