Gary Shteyngart :: Super Sad True Love Story

Brillante Zukunftssatire inklusive einer Liebesgeschichte und geiler Gadgets

Die USA liegen am Boden: Ein Einmarsch in Venezuela ging schief, die Schulden bei den Chinesen drohen das Land zu erdrücken, der Polizeistaat wird regiert von der Überparteilichen Partei. Überall in den Städten sind Kreditmasten aufgestellt, die die Bonität der vorbeilaufenden Passanten anzeigen, wer zu wenig besitzt, droht abgeschoben zu werden. Vom „Land of the Free“ ist nicht mehr viel zu spüren, das merken vor allem die Kinder von Immigranten, die einst mit der Hoffnung auf ein besseres Leben nach Amerika ausgewandert waren.

Ein solcher Amerikaner der zweiten Generation ist auch Lenny Abramov, ein 39-Jähriger russischer Abstammung, dessen Tagebuchnotizen den größten Teil des dritten Romans von Gary Shteyngart ausmachen. Lenny kehrt von einem Jahr Aufenthalt in Italien nach New York zurück, nachdem er sich am letzten Abend in die koreanisch-amerikanische Studentin Eunice Park verliebt hat. Es ist eine unmögliche Liebe, aber die Umstände führen die beiden tatsächlich zusammen. So, wie sich das Lenny als Tschechow-Leser vorgestellt hatte. Dass er tatsächlich noch Bücher liest, macht ihn in der so circa 2030 angesiedelten Geschichte zum absoluten Sonderling. Die Menschen kommunizieren hauptsächlich über ihre Äppäräte, eine Art weitergedachtes Smartphone, das direkt an die Gefühle seiner Benutzer angeschlossen ist. Der Autor lässt seine zweite Protagonistin Eunice über deren Äppärät-Kommunikationen im sozialen Netzwerk „GlobalTeens“ zu Wort kommen. Eunice geht einerseits voll auf in ihrer durchsexualisierten Gegenwart (der Modehit sind durchsichtige „Onionskin“-Hosen), ist aber andererseits geprägt von dem unsicheren Verhältnis zu ihrer traditionellen Familie. In diesem Zwiespalt versucht Lenny, sie zu unterstützen. Grandios etwa die Szene, als er auf ihren jähzornigen koreanischen Vater trifft.

Wie jede Zukunftsvision denkt auch die von Shteyngart die aktuellen Entwicklungen weiter, doch der 1972 in Leningrad geborene Autor, der mit sieben Jahren in die USA auswanderte, malt sie mit so viel Begeisterung für groteske Details und aberwitzige Begriffserfindungen aus, dass man trotz des dystopischen Szenarios extrem viel zu lachen hat. Und zugleich hat die Liebesgeschichte einen zeitlosen emotionalen Kern, der diesen Roman über eine bloße Satire hinaushebt. Wie die Zukunft auch wird, wir werden lieben, mal glücklich, mal vergeblich. Und wenn man Super Sad True Love Story Glauben schenken darf, werden wir dabei erstaunlich oft Alphavilles „Forever Young“ zu hören bekommen.