Grateful Dead :: Reckoning
Der einzige, dem Grateful Dead in der Rockpalast-Nacht wirklich gut gefallen hat (jedenfalls von all jenen, mit denen ich darüber geredet habe.), war ich selbst. Ich habe noch nie vorher eine Gruppe gehört, die so entspannt, so friedlich und so ehrliche Musik gemacht hat. Deshalb wollte ich RECKONING auch besprechen.
Um Mißverständnissen vorzubeugen: Dies ist die erste Platte von Grateful Dead, die ich a) besitze und b) gehört habe. Ich bin also unvoreingenommen. Einiges an dieser Live-Dp-LP, die im Oktober letzten Jahres in New York und San Francisco aufgenommen wurde, ist für mich überraschend. 1. ist darauf kein einziger Titel, den sie in der Rocknacht gespielt haben. Das zeugt sicher von ihrem unerschöpflich großen Song-Potential. 2. schwankt die Länge der Stücke um etwa vier Minuten; das längste, „To Lay Me Down“, ist neun Minuten lang. (In der Rocknacht waren die Stücke selten kürzer als zehn Minuten, wenn sie nicht gar ohne Pause ineinander übergingen.) 3. sind die Instrumente auf RECKONING bis auf den E-Baß von Phil Lesh akustisch, Jerry Garcia und Bob Weir spielen auf Akustik-Gitarren, Brent Mydland auf einem Flügel (in „China Doll“ auf einem Spinett), Mickey Hart auf dem Schlagzeug, und zwar fast ausschließlich mit Besen, Billy Kreutzmann schließlich bedient die Congas. Das heißt: Die Musik und die Atmosphäre sind noch relaxter. Es handelt sich bei den Stücken – zum großen Teil Traditionals bzw. Garcia/Hunter-Nummern (vermutlich also älteren Ursprungs) – fast durchweg um traurigen Country-Rock (nicht zu verwechseln mit schmalzig, nix Rednecks, nix Waylon’n‘ Willie [würg]) mit traurigen Wild-West-Geschichten. Die Gitarren klingen schön und traurig, genau wie der Harmoniegesang. Und ich liebe diese Musik, gerade an solchen schon etwas fortgeschrittenen Abenden wie heute, mit kühlem Maibock im Glas. Überhaupt: Je später der Abend, und je ausgepumpter ich selbst bin, desto besser gefällt mir solche Musik. Ich habe nur zwei andere Platten dieser Art: die erste LP von den New Riders of the Purple Sage (1971, ein G.-Dead-Ableger, produziert von Jerry Garda) und GUITARIST von Arlen Roth. Oh ja, für solche Abende gibt es keine besseren Platten. Für alte Dead-Fans ist RECKONING (Abrechnung) sicher die langweiligste Platte, die sie je gemacht haben. Für mich ist sie sehr gut!
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