Grenzmusik
Der Film ist der kleine Bruder, manchmal aber auch der Mörder unserer Phantasie. Filmmusik ist die kleine Schwester, manchmal aber auch Marktschreierin des Films. Leider sind viele Soundtrack-LPs nur Abfallprodukte, die auf 30-Minuten-Länge gestreckt wurden. Mal wieder eine erfreuliche Ausnahme sind Tonspuren, die Jonathan Elias für den Grace Jones-Film „Vamp“ komponierte. Ethno-Rhythmen und Synthesizer machen die LP zum Phantasie-Anreger, der den Gang zur Kinokasse fast erspart. (5)
Daß „Peggy Sue geheiratet hat“, freut nur LP-Sammler, denen eine ordentliche Überspielung von Buddy Hollys Titelsong fehlt. (3)
Die Mischung von Neukompositionen und Pop-Oldies, die einen Teil der Wirkung von „Blue Velvet“ ausmacht, kitzelt auch auf dem Plattenteller die Nerven. (5)
(Alle: Colosseum/FSM).
Weniger zupackend klingt danach OCEANHEART (sky). Denn erst für das Album-Finale „Minimal Boogie“ erinnerte sich Harald Grosskopf daran, daß er mal ein verdammt eigenwilliger Drummer war. Elektronische Kopf-Hörermusik bekennt sich hier wieder zu ihrem Unterleib. Mit derartigen Kompositionen könnte der Berliner einigen New Age-Kollegen den Weg weisen — heraus aus jener Sackgasse, wo Lustlosigkeit mit Ruhe und Stillstand mit Meditation verwechselt wird. (4)
Noch ein Schlagzeuger auf neuen Wegen: Z’EV. Oder soll man den Amerikaner eher Streich- oder Schwingzeuger nennen? Seine SCHÖNSTE MUZIEK (Connex/EfA) zeigt, welche Klänge man akustischen Perkussionsinstrumenten und anderem Schrott entlocken kann. Trotz mäßiger Klangqualität bitte mehr davon! (5)
Audiophileren Ansprüchen genügt der NewAge-Sampler STANDING STONES (Coda). Das Piano-Geklimper von Dashiell Rae und Rick Wakeman (3) sowie der Soft-Rock eines John Themis oder Stephen Claudel (2) wecken keine Neugier auf weitere Produkte dieses Labels. Aber mit elektronisch verfremdeter Gitarre, Mundharmonika und Panflöte zeigt Tom Newman, daß Folk-Blues nichts von seiner inspirierenden Kraft verloren hat (6); Ciaire Hamill macht a cappella gute Werbung für ihre LP VOICES (5); die Synthi-Version des 4. Brandenburgschen Konzertes, gespielt von Tim Cross, ist überflüssig (1); Walter Carlos entlockte Moog-Synthesizern der ersten Generation vor 20 Jahren aufregende Klänge, als er Johann Sebastian Bach interpretierte.
Tonträger-Premiere dagegen für A MIDSUMMER NICHTS DREAM (Nimbus/ARIS). Text: William Shakespeare. Musik: Felix Mendelsohn-Bartholdy. Das Scottish Chamber Orchestra spielt die romantischen Klänge endlich mal in jenem Zusammenhang, für den sie komponiert wurden. Ein Muß für Shakespeare-Fans, das leider nur auf CD vorliegt. Wegen der ebenfalls fehlenden Textbeilage gibt’s nur eine: (5)
Noch eine CD-likatesse der Sparte „Text & Musik“: Josef Koibl singt GOETHE-LIEDER (FSM) von Franz Schubert und Hugo Wolf. Übersichtlicher läßt sich die Entwicklung des Klavierliedes im 19. Jahrhundert nicht darstellen als mit diesen Vertonungen von Goethe-Gedichten. (6)
Mit Jazz-Rock-Mitteln vertonte der in Berlin lebende Pianist Tayfun Erdem die Novelle ARARAT ‚(Tayfun/ EfA) von Yashar Kemal. Abendländischer Pop und türkische Folklore erzeugen eine Reibungshitze, die ganz schön heiß macht auf weitere Fusionen dieser Art. (5)
Geschmeidigeren Fusion-Pop zum Relaxen spielt der Multi-Instrumentalist Rob Mullins auf der CD NITE STREET/SOULSCAPE (Paras/inak). Für seine pfiffigen Arrangements, teilweise in guter alter Big-Band-Manier, gibt es: (6) Folkig melodiös schmeichelt sich Judith Pintar ein. Auf CHANGES LIKE THE MOON (Sona Gaia/TlS) bringt die Harfinistin kaum virtuose Überdinger. Dennoch mindestens: (5)
Rausschmeißer des Monats: AQUA MARINE DRUM (Yellow) von Twice A Man. New Age goes Disco — oder umgekehrt (2). Der Naturbelauscher Toby Mountain produzierte auch einen Nervtöter. Auf BAB-BLING BROOK (Ryko/Discobox) plätschert 60 Minuten lang ein Bächlein. Die CD plätschert zielstrebig auf eine:(l)
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