Grenzmusik
Fünf Neue vom Recommanded Vertrieb: die Multi-lnstrumentalistin Lindsay Cooper schafft mit ihrer MUSIC FOR OTHER OCCASIONS (NML) eine Plattform für Begegnungen der skurrilen Art: Mike Wesitbrook meets The Art Bears; Laurie Anderson meets Kurt Weill. Lauter Namen, die natürlich nicht auf dem Cover stehen. Aber die zehn (!) beteiligten Frauen -Chris Cutler trommelt als männliches Exotikum -— bringen einschlägige Erfahrungen mit: vor allem Dagmar Krause (Henry Cow), Georgie Born und Maggie Nichols (Feminist lmprovising Group) oder Mikes Frau Kate Westbrook. Viel British Humour und aufgelockerte Kammermusik (Fagott, Cello, Geige, Harfe). 16 kurze Stücke -— for many occasions! (4)
Aus Richmond/Virginia stammen die Orthotonics. Seit die schrägen Jazzrock-Vögel ohne Baß spielen, muß Tastentante Rebby Sharp mit gelegentlichen Tiefton-Riffs Fundamente legen. Den ungeraden Metren blieb das Trio treu. Alle drei singen — unbekümmert hysterisch oder auch harmlos liedhaft. Das vertrackte Konzept des Drummers Pippin Barnett fiel schon bei Curlew auf, dem neuesten Projekt von Fred Frith, der übrigens die LUMINOUS BIPEDS (NML) produziert hat. Kein schlechtes Vorprogramm für die anstehende Herbst-Tour der Skeleton Crew. (4)
MELTABLE SNAPS IT (NML) kündet auf der Hülle in schrillen Farben von ländlicher Idylle — und hält sich eine LP-Seite lang daran: Sacht und leise schnattert und zwitschert diese nur entfernt mit Musik verwandte Klangcollage. Auf der B-Seite legt Points Blank dann so enthemmt los, wie man es bei Namen wie John Zorn oder Peter Kowald erwarten durfte. Subtilere Freejazz-Passagen (David Moss, George Lewis) frischen die Palette auf. Knapp: (4)
Gute Nerven braucht man für das rüde Chaos, mit dem Saxer Ned Rothenberg, Gitarrist Elliott Sharp und Drummer Samm Bennett ihr Debütalbum SEMANTICS (Review) bestreiten. Rhythmisch werden Ethno-Einflüsse spannend verarbeitet. Was Gitarre und Bläser an Improvisation drüberschütten, läßt Feinheiten kaum eine Chance. Knapp: (4)
Schwierigkeiten habe ich auch mit The Camberwell Now. Nur der Anfang von Seite Zwo hält auf THE GHOST TRADE (Review), was die Herkunft des Trios (ehemals This Heat) verspricht. Wären da nicht pulsierende Hektik und raffinierte TapeBeimischungen -— das Resultat ähnelte der Rumpelkammer eines Psychedelic Folk-Geschäftes. (3)
Noch ein Paket will ich aufschnüren. Den verzwickten Übergang erleichtert mir Steve Beresford. Der Keyboarder der Flying Lizzards hat nämlich This Heat produziert. In eigener Sache durfte er sich im Studio austoben. Wolf Stock im Jazzpodium“ zu DANCING ON THE LINE: „So ein miserables Produkt ist mir in meiner 12jährigen Plattenbesprechungs-Zeit noch nicht untergekommen.“ Machen 12 Jahre Jazz blind für den unprofessionellen Charme dieser Hommage an die Modedesignerin Anne Marie Beretta? Unbestritten: Weder Beresford noch die Japanerin Kazuko Hohki ist ein Stimmwunder. Aber wer wird denn bei spröden Spät-Impressionismen und lockerem Bossa-Pop gleich „mutwillige Körperverletzung“ ins Spiel bringen? Mindestens: (3)
Daß „privatistische“ Musik jenseits technischer Perfektions-Standards reizvoll sein kann, beweisen vier Mini-LPs des CHABADA-Labels. Halt eine Ausnahme: Auf acht seiner ELEVEN SONGS FOR DORIS DAY ließ Beresford eine gesangliche Schreckschraube (Künstlername: Deb’bora) über unschuldiges Liedmaterial herfallen. Totalschaden. (2)
Tony Coe hingegen, jazzerprobter Saxer und Klarinettist, spielt MAINLY MANCINI —- und das mit so viel Liebe zu Filmmusiken des Pink-Panther-Komponisten, daß es einem warm ums Herz wird. (4)
Gelingt es The Melody Four, allen Badewannen-Carusos mit „Begin The Beguine“ und „Besame Mucho“ Mut zumachen? SI SENOR!(4)
Kabarettreif auch THE INIMITABLE LOL COXHILL: Songlieferanten vom Kaliber eines Richard Rodgers mögen verzeihen, „that it would be impossible to confuse this voice with those of Sinatra or Iglesias“. Wahr gesprochen! (3)
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