Hard Rock/Heavy Metal

Der Lack ist ab. Wer bis dato gehofft hatte, der Boom auf dem Hard ’n‘ Heavy- Markt, die weltweite Schwemme an neuen Bands und Label, könnte das Niveau dieses Genres spürbar heben, sieht sich enttäuscht. Das Jahr ’85 beginnt so, wie es 84 aufgehört hat: mit einer mageren Ausbeute an wirklich guten Acts.

Nur wenige sind mehr als bloßer Durchschnitt. Den meisten Kandidaten mangelt es vor allem an einem: an guten Songs, die in sich stimmig, kompakt und auch nach mehrmaligem Anhören noch überraschend klingen.

Ein Beispiel: Die Kanadier vom Trio Triumph, seit Jahren ein fester Begriff auf der Szene, erweisen sich – wieder einmal – als Techno-Freaks: Arrangements und Song-Politur werden auf THUNDER SEVEN (WEA 251 631-1) überbetont. Obwohl man in Eddie Kramer einen Produzenten hat, der sein Handwerk oft unter Beweis gestellt hat, zudem in Rik Emmett einen musikalischen Kopf, der auf seiner Gitarre brillieren kann, verliert man sich in schnöden Spielereien ohne jede Kraft. Fast schon narzistisch muten jene Passagen an, in denen die Band ausufernde Hardrock-Zitate, allerlei akustischen Klimbim und melodramatische Gesangseinlagen wahllos aneinanderreiht. So nicht, meine Herren! (2).

Sie kommen aus Norwegen und haben doch ihre Lektionen bei den Briten gelernt – TNT, ein Heavy-Vierer, mit NIGHTS OF THE NEW THUNDER (Phonogram 818 856-1). Schwere, düstere Wolken ziehen im Intro zu „Seven Seas“ auf, wie Vorboten eines Metall-Orkans.

Schon nach wenigen Sekunden aber wechselt man den stürmischen Ton und gleitet ins melodische Fahrwasser. Dabei hat der Sänger Mühe, seine Stimme gegen/über die Instrumente zur Geltung zu bringen. Trotz dieses Abstrichs gelingt der Band eine insgesamt ansprechende Vorstellung (3).

Nostalgie kommt auf, wenn man das Doppel-Album METAL MASTERS (Metronome 825 170-1) auf den Teller legt. Denn hinter diesem Titel verbergen sich die ersten beiden Accept-LPs, ACCEPT von 79 und I’M A REBEL von ’80. Das Angebot fällt zwar vergleichsweise bescheiden aus, doch es zeigt auch, was in dieser Band an musikalischer Substanz schon damals steckte. Warten wir also auf die neueste Scheibe aus Pulheim. (Ohne Wertung).

Um die Aussies war es in letzter Zeit ziemlich still. Das soll sich nun mit Boss und STEP ON IT (RCA PL 70573) ändern. Solider Hardrock der traditionellen Art, der stilistisch zwischen AC/DC und Rose Tattoo pendelt, doch durchaus eigenständig wirkt, heißt die Devise in allen zehn Songs. Herausragend:“.Hard n‘ Fast“ auf der ersten Seite, voller Drive und Speed. (3).

Harmony vocals, feiner, unaufdringlicher Synthi-Background, vor dem sich kesse Gitarren produzieren, dazu eine relaxte Stimmung und sofort weiß man, was die Stunde geschlagen hat: Mainstream made in USA. Autograph, chartshungrige Newcomer aus der Survivor-, Nightranger- bis Quiet Riot-Ecke, sorgen mit SIGN IN PLEASE (RCA PL 89495) für nette, harmlose Unterhaltung, die am Ende doch zu bieder bleibt. (2).

„Bon jour tristesse“ hätten Viva ihr neuestes Album APOCALYPSE (Teldec 6.26066) auch nennen können. Oder besser noch: den Tanz ums goldene Kalb. Denn was die Band aus Hannover hier bringt, manifestiert wieder einmal mehr den provinziellen Charakter ihrer Musik. Allein Sänger Chris Thow (inzwischen wieder „back in britain“) und Michael Lauer an den Keyboards erweisen sich als kompetent und bewahren so den Mainstream-Metal-Pop über weite Strecken vor der völligen Bedeutungslosigkeit (1).

Nicht viel besser ergeht es den Debütanten von Railway. ebenfalls aus heimischen Breiten. Sie meinen auf ihrem gleichnamigen Album (Roadrunner RR 9821; SPV), man müsse die Gitarre nur häufig genug Eddie van Haien- oder Michael Schenker-like stylen – und schon stelle sich der Erfolg von selbst ein. Welch ein Irrtum!

Hardrock ist zwar von jeher die Domäne der Gitarren und Axemen, doch daneben sollte die gesamte Band durch Geschlossenheit und Ideen überzeugen – und nicht durch Solo-Trips eines noch so talentierten Gitarristen. Maybe the next time. (2).