Hardrock

Nun kann der Frühling endlich heginnen. Denn nach Ozzy Osbournes bescheidener Vorlage mit THE ULTIMATE SIN sollten jetzt zumindest ACCEPT den letzten Schnee zum Schmelzen bringen. Und zwar mit RUSSIAN ROULETTE (RCA), so der Titel ihres neuesten Longplayers, der zugleich ein gelungener Startschuß zur kommenden Tournee sein dürfte.

Schon vor der Veröffentlichung drehte sich die Diskussion unter Metal-Freaks in der Hauptsache um eine Frage: Würden sich die Männer von der Wupper stilistisch auch weiterhin am Vorgänger METAL HEART orientieren oder die Tradition ihres Klassikers BALLS TO THE WALL wieder aufleben lassen? Die Antwort: Sowohl als auch und noch einiges mehr. Im Klartext: RUSSIAN verbindet die wuchtigen Rhythmen von BALLS mit den kompakten Arrangements, wie man sie von METAL gewohnt ist.

Dabei werden vor allem die musikalischen Trümpfe dieser Band deutlich: echte Songs und Kompositionen, die Hand und Fuß haben, sprich einen klaren Aufbau besitzen und sich von einer (melo-)dramatischen Hymne wie „Heaven Is Hell“ über fast forward-Einlagen bis hin zu gefühlvollen Passagen mit Schmackes a la „It’s Hard To Find A Way“ spannen.

Glanzstück dieses Albums ist mit Sicherheit die Rhythm-Section. Peter Baltes am Baß und Stefan Kaufmann on drums, ein jederzeit tightes Duo, nach dem sich jede andere Metal-Band die Finger lecken würde.

Aber auch Wolf Hoffmanns Gitarre klingt wesentlich relaxter als zuvor. Er ist kein Axeman im üblichen Sinn, der nur auf seine Solo-Nummern wartet, sondern stets Band-dienlich spielt.

Summa summarum: RUSSIAN ROULETTE mit seinen insgesamt zehn Songs ist nicht ihr bestes, sondern ein weiteres, sehr gutes Album, mit dem man hoffentlich bald die engen Grenzen des Heavy Metal-Gettos in Richtung klassischer Hardrock überspringt!(5)

Spektakuläre Auftritte sind das Metier der Skandalnudel Wendy O. Williams, auch kurz WOW genannt. Doch so outrageous sich die Silicon-Dame aus New York auch gern gibt, so dünn, um nicht zu sagen flach, klingt ihre Allerweltsstimme, von dem mittelmäßigen Song-Material ganz zu schweigen. Daran wird auch ihre aktuelle Langrille mit dem sinnigen Titel: KOMMANDER OF KAOS (SPV) nichts ändern.

Denn hier zählt nur die musikalische Leistung — und die laßt doch viele Wünsche offen. Trotz namhafter Unterstützung durch die Herren Ray & Swenson als Songwriter und zwei Cover-Versionen von Motörheads „Jailbait“ und dem Kiss-Song „Ain’t None Of Your Business (live)“ befolgen Band wie Sängerin eigentlich immer nur einen Rat: Hau drauf!

Darunter leidet natürlich die Abwechslung — und am Ende hören sich alle neun Songs mehr oder weniger gleich an. Eine Maxi hätte es in diesem Fall auch getan. So aber (2).

Enttäuschend auch das Ergebnis des posthum veröffentlichten Rainbow-Live-Doppelalbums. FINYL VINYL (DGG). Der Querschnitt durch die Epoche dieser einstigen Hardrock-Heroen endet jedenfalls im Durchschnitt.

Allein schon die Sound-Qualität ist eine Zumutung, wenn nicht gar eine mittlere Katastrophe, die man sich hätte besser ersparen sollen.

Sei’s drum, der frühere Glanz solcher Songs wie „Since You Been Gone“ von DOWN TO EARTH, mit Graham Bonnet als Sänger, oder „Man On The Silver Mountain“, noch mit Ronnie James Dio, und -— last not least —- „Difficult To Cure“ vom gleichnamigen Album, diesmal mit Joe Lynn Turner, verschwimmen allesamt hinter einem seltsamen Schmutz-Filter. Verantwortlich dafür ist in erster Linie der Mann am Mischpult, der von allen guten Geistern verlassen zu sein scheint.

Das geht schließlich auf Kosten des großen Meisters Blackmore und seiner Crew, die ihre Klasse nur stellenweise unter Beweis stellen können.

Im Vergleich etwa zu UFOs STRANGERS IN THE NIGHT, aber auch Thin Lizzys LIVE AND DAN-GEROUS, beides Hardrock-Klassiker par excellence, landet FINYL VINYL lediglich unter ferner liefen, (2)

Ohne Worte: Jimi Hendrix mit JIMI PLAYS MONTEREY (DGG), remixte Aufnahmen aus dem Jahre 1967; zur Nachahmung empfohlen. (4)