Hardrock/Heavy Metal
Die Überraschung des Monats kommt aus dem Ruhrgebiet. Dort, wo viele Hochöfen nur noch auf Sparflamme qualmen, hat sich eine junge Band etabliert, die – obwohl jung an Jahren – das Einmaleins des Genres bereits meisterlich beherrscht. Warlock aus Düsseldorf, die 1984 mit BURNING THE WITCHES erstmals auf einem Indie-Label debütierten, sind auf dem besten Weg, hinter den unerreichten Scorpions und Accept den verwaisten dritten Plat2 in der heimischen Hard’n’Heavy-Liga zu besetzen. Ihr HELLBOUND (Phonogram 824 660-1) jedenfalls bietet alle Vorzüge, die man von einer Produktion auf internationalem Niveau erwarten muß.
Insgesamt neun Songs auf dem Album – das bedeutet neun mal Tempo, Rasse und Rasanz. Dabei hält man sich konsequent an die Devise: Alle für eine, eine für alle. Die eine ist Sängerin Doro Pesch, das blonde Gift mit einem Organ, das es wirklich in sich hat. Sie singt sich in akzentfreiem Englisch durch sämtliche Zeilen, mal mit drohendem Unterton, dann wieder ganz auf Gefühl eingestellt („All Night“); so als wollte sie sagen: „Auch ich habe Tina Turner erlebt und sie genau studiert.“
Doch auch die anderen, Bassist Frank Rittel, die Gitarristen Rudy Graf und Peter Szigeti sowie Drummer Micha Eurich können durchaus mithalten. Nicht solistische Eskapaden stehen im Zentrum ihres Spiels, sondern das effektive, jederzeit harmonische und kompakte Verständnis der Musiker untereinander.
Einen herzhaften Vorgeschmack auf ihr kommendes Album (CALL OF THE WILD) gibt Kanadas „sexiest voice“, Lee Aaron, mit drei brandneuen Songs auf einer 12inch-Single (Roadrunner 125495/SPV). Eigentlich müßte dieses Mini-Werk den Titel „l’ll Rock You To The Ground“ tragen, anstelle des zweideutigen „Rock Me All Over“. Denn die schmächtige Miss mit den schmalen Lippen versteht keinen Spaß, wenn es darum geht, der Männergilde den musikalischen Fehde-Handschuh vor die Füße zu werfen.
Mit voller Kraft voraus steuert sie ihre Band energisch ans Ziel: eingängiger Hardrock; forsche Gitarren, John Albani und Simon Brierly, unterstützen sie dabei nach Leibeskräften. Auch wenn die Aaron in „Line Of Fire“ und „Evil Game“ mitunter Probleme hat, ihre Stimme gegen die Übermacht der Instrumente zu behaupten, kann man sich auf ihren dritten Long-Player schon jetzt freuen. (4) Trotz glänzender Kritiken in „Kerrang“ und anderen Journalen ist die Band hierzulande bisher sträflich vernachlässigt worden -White Sister aus USA und ihre gleichnamige LP (Heavy Metal America HM USA / Wishbone), die bereits 1984 auf den Markt kam.
Dies ist um so bedauerlicher, weil das Quartett zweifellos Amerikas größte Hoffnung auf dem AOR-Hardrock-Sektor ist. Die Schwestern setzen fort, was bei Bands wie Journey oder Nightranger nur allzu schnell in Vergessenheit geriet. Daß nämlich kommerzielle Aspekte nicht unbedingt im hitverwöhnten Charts-Salat enden müssen, sondern sich durchaus mit Abwechslung und Temperament vertragen.
Gitarrist Rick Chadock, Dennis Churchill am Baß, Richard Wright on drums und Garri Brandon on Keyboard und Synthesizer, führen vor, wie man mit einfachen Mitteln erstaunliche Wirkung erzielt. Elegant schlängelt man sich durch seichte Untiefen, um sich im nächsten Augenblick wieder vom Gitarre-Keyboards-Gespann antreiben zu lassen. (4) Vanilla Fudge, Cactus, Beck, Bogert & Appice, Jan Akkerman, Les Dudek, Solo und zuletzt Ozzy Osbourne – die Liste seiner Aktivitäten seit den 60ern liest sich wie ein Who’s Who der Rockmusik. Carmen Appice, der Mann, der schon so vielen Bands seine Stock-Kunst geliehen hat, stärkt diesmal den amerikanischen Newcomern King Kobra, auf deren READY TO STRIKE-Album (EMI 1A 064-240312-1), den Rücken.
Seine professionelle wie auch wendige Art ist die solide Basis ihres angenehm runden Materials, aus dem häufig saubere, exakte Gitarren-Linien herausragen. Breaks und akustische Intervalle auf der Ovation schüren die Spannung zusätzlich. (4) Die Enttäuschung des Monats: Bon Jovi. Bei 7.800 FAHRENHEIT (Phonogram 824 509-1) sind dem smarten Lockenkopf aus USA und seinen Kollegen offensichtlich die Ideen ausgegangen. Würde man die versprochene Hitze in musikalische Celsius-Grade umrechnen, ergäbe das einen Wert, der deutlich unter Null läge.
Im Indikativ gesprochen heißt das: Die gutgemeinten Songs, zehn an der Zahl, leben in erster Linie von der Routine der Band, sowohl im Gesang als auch an den Instrumenten. Gefälliger Allerwelts-Rock ohne Konturen. Und das, wo die Jovis doch on stage ihr Format mehr als einmal bewiesen haben! (2) Mitte der 70er hielten sie die Flagge des amerikanischen Hardrocks hoch – und hatten dennoch nie den Erfolg von Aerosmith, obwohl ihre Songs um keinen Deut schlechter waren. Von Starz ist die Rede. Die Band um Gitarrist Richie Ranno und Sänger Lee Smith machten 1976 mit STARZ zum ersten Mal auf sich aufmerksam. 1977 folgte mit VIOLATION ein weiteres Juwel, dem sich 1978 das mißratene ATTENTION SHOPPERS (Grund allen Übels: Produzent Jack Douglas) und 1979 das kommerzielle COLISEUM ROCK anschloß. Danach wurde es still um die Band, man ging fortan getrennte Wege. Nur Ranno versuchte 1983 mit den Hellcats erneut sein kurzes Glück.
Bis 1984 dann eine offizielle Live-LP erschien, die allerdings schon 1978 mitgeschnitten worden war und seitdem als teure Promo-Copy in Insider-Kreisen kursierte. Im gleichen Jahr wurde auch BRIGHTEST STARZ (Heavy Metal America HM USA 8/Wishbone) veröffentlicht, eine längst überfällige Kollektion ihrer früheren „Hits“. Alles Songs, die eigentlich auch heute noch viele Hörer für sich gewinnen sollten. Ohne Wertung.
Ausdeutschen Landen: Steeler, stahlharte Rhythmen aus dem schier unerschöpflichen Underground zwischen Rhein und Ruhr, und ihr Zweitling RULIN‘ THE EARTH (Earthshaker ES 40 09/Corona). Trotz hörbarer Anleihen bei Englands HM-Megas Iron Maiden (Beispiel: „S.F.M.1“ auf Seite zwei), gelingt es ihnen doch, sich aus dieser stilistischen Umklammerung zu befreien.
Man verzichtet auf unnötige Schnörkel und überflüssige Ornamente (auch in der Produktion) und bringt stattdessen das Wesentliche zur Sprache: die versierte Saiten-Arbeit der beiden Gitarreros Axel Rudi Pell und Tom Eder, auf die bei jedem Takt Verlaß ist, ein Drummer mit Wumm in den Sticks sowie ein Bassist als rhythmischer Background.
Einzig die Stimme von Peter Burtz fällt manchmal aus dem Rahmen, klingt etwas dünn und flach und in „Turning Wheels“ bei weitem nicht so selbstbewußt, wie man es sonst von ihm gewohnt ist. Ein Manko, das man jedoch verkraftet. Knapp: (4) Preisfrage: Wie schon so oft in letzter Zeit verlost ME/ Sounds auch diesmal 10 Leckerbissen für Hardrock-Freaks, Headbanger und solche, die es werden wollen. Der Preis: Gestanzte Cover-Ko pien der aktuellen Accept-LP METAL HEART, direkt aus Frankreich importiert. Die ersten zehn, die den Titel der zweiten Accept-LP erraten und diesen auf einer Postkarte an unsere Adresse schicken, Stichwort: „Metal Heart“, erhalten eines dieser seltenen Exemplare.
Mehr News und Stories