Holger Czukay – Der Osten ist rot

Nach über drei Jahren, sieht man von zwei LPs ab, wo er bei anderen Musikern mitwirkte, legt das Ex-Can Mitglied ein neues Opus vor. Zehn Songs, oder besser Klangcollagen, die im Vergleich zu seinem letzten Solo-Ausflug ON THE WAY TO THE PEAK OF NORMAL aus dem Jahre 1981 eher unzusammenhängend und kaleidoskopartig einen Einblick in die Tüftelwerkstatt von Herrn Czukay bieten.

Eröffnet wird die Extravaganza mit dem „Photo Song“, einem freundlich und naiv vorgetragenen Liedchen, dem man sich gerade durch seine unverfrorene Einfacheit spätestens nach dem zweiten Hören nicht mehr entziehen kann. Der „Bänkel Rap ’82“ präsentiert Czukays Nachrichtenschnelldienst, eine tönende Wochenschau aus Kalauern und Gags in Form von zusammengeschnittenen Radioaufnahmen, Telefonanrufen und eigenen Kommentaren („Czukay Werung präsentiert aus islamischen Landen frisch auf den Tisch: Islamburger, der Spaß für die ganze Familie‘). Passend dazu das LP-Cover, ein gezeichnetes Portrait mit Moliere-Mütze, Morgenmantel und Telefonhörer, quasi mit dem Ohr immer direkt am Weltgeschehen.

Szenenwechsel beim nächsten Titel „Michy“: Die gleichnamige Sängerin, eine unbekannte asiatische Schönheit, singt mit exotischer Stimme zu ebenso exotischen Klangcollagen. Beim „Rhönrad“

kommen wohl vor allem Turnerinnen auf ihre Kosten; das Instrumentalstück klingt zumindest wie Backgroundmusik zum Bodenturnen.

Mächtig orchestral wird Seite zwei mit dem Titelstück der LP eröffnet. Eine monumentale Aufnahme im Peking Oper-Stil mit Czukays Posaune sowie stark nach King Sunny Ade klingenden Gitarren, wahrlich eine ungewöhnliche Mischung, bei der wohl als einziger Czukay selbst die Übersicht behält.

Beschaulicherdann“.Massenmedium“, ein musikalischer Essay über langweilige Nachrichtensprecher und die Monotonie von Massenmedien. Track drei wird mit einer Dampf ramme (!) eröffnet, ein Taxi-Rundruf meldet „Schaue vertrauensvoll in die Zukunft“ – während ein Geburtstags-Wunschkonzert Kernstück des Titels „Großer Gott wir loben dich“ ist. Die Platte schließt mit dem optimistischen Vorschlag „Träum mal wieder“, wo mit orientalischen Klängen ein Sound entsteht, der noch am ehesten an alte Can-Tage erinnert.

DER OSTEN IST ROT ist eine Platte, mit der man sich schon eine Weile auseinandersetzen muß, um einen Einstieg in die verrückten Klangwelten von Czukay zu finden. Toleranz und Interesse an neuen Klängen werden vorausgesetzt.