Isaac Hayes – Zehn Alben :: Der schwarze Moses

Mit seinem sonoren Vokalstil spielte Isaac Hayes nicht nur bei der Entwicklung des Memphis Soul eine entscheidende Rolle. Er ebnete dem Schlafzimmer-Sänger Barry White den Weg, hatte miaßgeblichen Anteil an Philly-Soul und Disco, diente nachfolgenden Musikern als Sample-Quelle (u.a. Portishead, Public Enemy) und darf sich den Titel „Godfather Of Rap“ ans Revers heften. Als Multitalent in Komposition, Arrangement, Produktion und Interpretation etablierte sich der Kahlkopf Ende der Sechziger als der erste schwarze Superstar. Zehn digital überarbeitete Alben im Digipack-Format – eine fast komplette Retrospektive (es fehlen lediglich das 1968er Debüt PRESENTING ISAAC HAYES und der 1973er Konzertmitschnitt LIVE AT THE SAHARA TAHOE) der Ära 1969 bis 1975 zeichnen den musikalischen Weg jenes Mannes nach, der sich, im Gegensatz zu vielen seiner damaligen Kollegen aus der Black Community, vor allem als Mittler zwischen den Kulturen verstand.

1969 gelang es Hayes mit seinem zweiten Album HOT BUTTERED SOUL (5) , nicht nur die Grenzen des Soul dramatisch zu erweitern, sondern auch ein kommerzieller Erfolg in den USA. Als Erster brach er mit der naiven Harmonieseligkeit des Motown-Soulpop, ersetzte Dreiminuten-Eskapismus durch opulent orchestrierte Symphonien von bis zu 20 Minuten Länge. Bacharachs/Davids Soul-Evergreen „Walk On By“ , das psychedelische „Hyperbolicsyllabicsesquedalymistic“, vor allem aber der zeitlupenhaft ausgewalzte Jim Webb-Klassiker“By The Time I Get To Phoenix“ gefielen sowohl den jungen, progressiven Käufern als auch Konsumenten gesetzteren Alters.

Noch ausgeklügelter und diffenzierter präsentierte sich das Konzept auf den beiden Nachfolgern THE ISAAC HAYES MOVEMENT (5) und …TO BE CONTINUED (5): George Harrisons „Something“, Jerry Butlers „I Stand Accused“ sowie zwei weitere Bacharach/David-Nummern („The Look Of Love“, „I Just Dont Know What To Do With Myself) gerieten bei Hayes zu üppigen Soulsuiten mit Unterstützung von 38 Musikern des Memphis Symphony Orchestras und dem Backgroundgesang der Doo-Wop-Girltruppe Hot, Buttered & Soul Unlimited.

Isaac Hayes‘ erste Soundtrack-Arbeit SHAFT (6) trat weltweit eine Lawine los. Vom treibenden Titelthema bis hin zum End Theme enthielt das Album eine eklektizistische Mischung aus Soul-, Rock- und Jazz-Elementen. Blaxploitation hieß das Schlüsselwort. Schwarze Regisseure, schwarze Schauspieler, schwarze Plots und schwarze Filmscores sollten das schwarze Amerika zur Zielgruppe des weißen Hollywoods machen. Der Autodidakt Hayes improvisierte in monatelanger Studiotüftetei die Musik für jede einzelne Szene des Films. Für den Meilenstein gab’s den Oscar, den Golden Globe, zwei Grammys, den NAACP Award, den Edison Award und Platin – keinem afroamerikanischen Künstler war das zuvor gelungen. Unglücklicherweise wurde in der Neuedition das 20-minütige „Do Your Thing“ auf 4:40-Minuten zugunsten eines Multimediatracks gekürzt. Mit zwei weiteren Meisterwerken unterstrich Hayes seinen Ruf als Genius. Sowohl das Doppelalbum BLACK MOSES (5) (von 1972) als auch JOY (5) (1973) schwammen im Zuge des „Shaft“- Booms obenauf, zelebrierten Breitwandarrangements, unterschieden sich jedoch in einem Punkt: Wahrend BLACK MOSES wieder reichlich Fremdmaterial enthielt (u.a. Curtis Mayfields „Need To Belong To Someone“ sowie der spätere Gloria Gaynor-Hit „Never Can Say Goodbye“), ist JOY ein stringentes Kompositionsset, Marke Eigenbau. Hayes hatte den Bogen endgültig raus: Mit swingend-gefühlvollen Midtempo-Suiten („A Man Will Be A Man“, „The Feeling Keeps On Coming“) betrat er als einer der Ersten das wenig später von den Three Degrees und Barry Whites Love Unlimited Orcehstra abgeerntete Philly Soul-Terrain.

Des Künstlers Selbstinszenierung als maskulines Sexobjekt mit Sonnenbrille, Goldkette, hautengen Lederhosen und Pelzmantel zahlte sich aus: Für die im Sommer 1974 kurz hintereinander veröffentlichten Film-Scores THREE TOUGH GUYS (4) und TRUCK TURNER (4) übernahm er nicht nur die Rolle als musikalischer Direktor, sondern versuchte sich auch als Hauptdarsteller der Blaxploitation-Reißer. Mit CHOCOLATE CHIP (3) (’75) gab’s gleich zwei eklatante Veränderungen: Die Trennung von Stax gerade überwunden, entbehrte das Album, das auf dem hauseigenen HBS-Label erschien, die Intensität seiner Vorgänger. Es war nicht zu überhören, dass der Maestro mit den musikalischen Entwicklungen nicht Schritt halten konnte. Hayes-Neueinsteigern sei die Compilation GREATEST HITS SINGLES (5) empfohlen zwischen gekürzten Versionen von „By The Time I Get To Phoenix“ oder „The Look Of Love“ finden sich hier Raritäten wie „Theme From The Men“ oder AI Greens „Let’s Stay Together“.

www.isaachayes.com