Isobel Campbell – Amorino :: Die Platte des Monats
Nein, eine Rocksau ist sie nicht, die Isobel Campbell, eher der Typ höhere Tochter. Man kann sich zumindest gut vorstellen, wie sie im zarten Alter von der Ballettstunde zum Cellounterricht huschte. Mit dem Fahrrad. Im Regen. Keine Ahnung, ob es wirklich so war, aber das spielt auch keine große Rolle. Tatsache ist, dass sie als Co-Komponistin, Sängerin und Cellistin bei Belle And Sebastian einstieg, ein paar Alben lang blieb und wieder ausstieg. Nicht unbedingt zum Leidwesen ihres Chefs Stuart Murdoch, der dem musikexpress kürzlich anvertraute, die Band habe sich nach ihrem Abgang ungeheuer „befreit“ gefühlt. Scheint also nicht ganz pflegeleicht zu sein, die gute Frau Campbell, doch für die schönen Künste kann ein etwas komplizierterer Charakter ja durchaus von Vorteil sein.
Und schön sind ihre Künste, zart und ätherisch, das war schon bei ihrem Interimsprojekt The Gentle Waves der Fall und gilt erst recht für ihr Solodebüt „Amorino“. Musik, die so sanft und geschmackvoll ist, dass sie momentan als beinahe subversiv gelten muss. Kann man dieser höheren Tochter bedenkenlos Coolness attestieren? Ja, aber eine Coolness der alten Schule, die sich an den kultivierten Stilen von Burt Bacharach. Ennio Morricone und Antonio Carlos Jobim orientiert, an der Ästhetik schwarzweißer Kriminalfilme mit einem Gitanes qualmenden Jean-Paul Belmondo, an Bohemiens, die das urbane Dasein schon als hart genug empfinden, als dass sie sich von aufdringlicher Musik nerven lassen würden. Stilvoll ist das, edel und schön, und nur ein einziger Ausfall trübt diesen Eindruck: „The Cat’s Pyjamas“ klingt wie der Verfolgungsjagd-Soundtrack aus einem alten Woody-Allen-Streifen. Da parodistische Ansätze auf „Amorino“ ansonsten nicht zu erkennen sind, hinterlässt das Stück ein ziemlich großes Fragezeichen. Bis auf diese Ausnahme ist die Mischung jedoch homogen, „Amorino“ ist Kammerpop mit Anleihen bei Jazz, Bossa, milder Psychedelik und orchestraler Grandezza. Kein ganz neues Konzept, aber zumindest ernsthaft und kompromisslos durchgezogen, ohne ironisierenden Easy-Listening-Klamauk oder irgendwelche Elektro-Späßchen.
„Love For Tomorrow“, „Johnny Come Home“ und vor allem „Song For Baby“ sind Bossa-Pop aus dem Bilderbuch, in dem sicher auch Brigitte Bardot mit einem kapitalen Strohhut und übergroßer Seventies-Sonnenbrille auftaucht. Und ein offener Maserati. Auf dem Weg nach St. Tropez. „This Land Flows With Milk“ ist vordergründig fragil, dank eines Theremin-Sounds aus dem Synthie – noch immer eine reichlich abstruse Klangfarbe – allerdings nicht ohne dezent gruselige Düsternis. Der Titeltrack schwebt auf einer Wolke pastellfarbener Melancholie, das jazzige „October’s Sky“ und das Instrumental „Poor Butterfly“ sind als Filmsoundtracks geradezu prädestiniert, amorino rockt nicht, Tanzen kann dazu wahrscheinlich nur, wer einen einschlägigen Kurs besucht hat. Zudem verspürt man beim Anhören das ständige Bedürfnis, aus dem Fenster und in die Wolken zu starren. Einfach wunderbar.
Discografie:
1999 The Gentle Waves – The Green Fields Of Foreverland (Jeepster/EFA)
2000 The Gentle Waves – Swansong For You (Jeepster/EFA)
2002 Isobel Campbell & Bill Wells – Ghost Of Yesterday EP (Creeping Bent, UK-lmport)
2003 Isobel Campbell – Amorino (Snowstorm/Cargo)
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