J. Kühn Band – Don’t Stop Me Now
Kühns musikalische Geschlechtsumwandlung hat sich in Hollywood vollzogen, wo er seit etwa zwei Jahren lebt. Den Eingriff hat KWST vorgenommen, eine der populärsten Rock-Radiostationen Südkaliforniens, die er als seinen Liebüngssender angibt. Außerdem hat er gemerkt, daß er in den USA kaum ein Bein auf die großen Bühnen bekommt, wenn er weiterhin seinen intellektuellen Jazz spielt. Den stellt er folglich nur noch bei Kollegen im Studio zur Verfügung oder in Solokonzerten zu Hause in der alten Welt.
Das alles soll kein negatives Qualitätsurteil sein, denn als Jazzmusiker gehört Kühn schon längst zu den Weltbesten. Doch wie sieht’s beim Rock aus? Kühn und sein Produzent und Manager Achim Torpus haben sich bei der Arbeit an dieser Platte sehr viel Mühe gegeben und nur die besten Musikergebucht.
Im hervorragenden Kendun-Studio in Burbank hatte sich Kühn im Frühjahr und Sommer eingenistet, um sein ersehntes Rock-Projekt zu realisieren. Mit dieser Platte scheint er nun endlich seine persönliche Ziellinie erreicht zu haben, obwohl er sich musikalisch ein bißchen verzettelt hat.
Wenn man es negativ ausdrücken will, dann fehlt dieser Platte die musikalische Linie; sieht man es vom positiven Standpunkt, dann hat er sämtliche musikalischen Erfahrungen verarbeitet, die ihn auf dem langen Weg seiner Karriere begleitet haben. Das beginnt mit „Time Out“ und ,,On The Mirror“, dem ersten und dem letzten Stück auf der ersten Seite, wo Väterchen Rock ganz stark mitgespielt hat. Dazwischen liegt mit „I’m Leaving You“ eine angenehme Ballade mit einem wunderschönen Streicherarrangement von Benny Golson, sowie „Groundshaker“, ein funkiges vorwärtstreibendes Jazz-Rock-Stück, bei welchem Kühn den Synthesizer auskostet. Jazz-Rock ist auch wieder bei „Jet Lag“ angesagt, wo sich Joachim Kühn mit Ray Gomez (Gitarre) zum Abschluß der Platte eine virtuose Soloschlacht liefert, die mit allen Wassern des Jazz gewaschen ist. Doch davor gibt es mit „Step Right Up“ nochmals sauberen Mainstream-Rock. Danach liefert Kühn mit „Summerset“ noch so etwas Ähnliches wie die Filmmusik zu „Vom Winde verweht“ oder „Love Story“. Denn so schön „Summerset“ als Komposition und Arrangement ist (Geigen wieder von Benny Golson), so sehr kann man bei der siebeneinhalb Minuten langen Ballade auf den Gedanken kommen, daß Hollywood nun endgültig Besitz von Kühn ergriffen hat. Vielleicht katapultiert er sich damit in die Komponisten-Etagen von MGM oder MCA. Mir gefällt’s trotzdem, weil es einmal mehr die Vielseitigkeit von Joachim Kühn zeigt. Zu erwähnen wären am Schluß noch der ausgezeichnete Sänger John McBurnie. der bei drei Songs mit gekonnter Souveränität singt, und die hervorragende Band Kuhns, die mit Glenn Symmonds (Schlagzeug) und Tony Newton (Baß) zwei der profiliertesten Jazzrock-Musiker von Amerika vorzeigt.
Mehr News und Stories