James R. Blandford :: PJ Harvey: Siren Rising
Nüchterner Rückblick auf die Karriere der einigmatischen Schmerz-Sex-Diva.
Im Mittelpunkt von PJ Harveys Kunst steht ein Konflikt: der zwischen Wahrheit und Schönheit, erstmals deutlich und gleichgewichtig zutagegetreten 1994 auf to bring you MY LOVE, das für viele darum bis heute auch der Mittelpunkt von Harveys musikalischem Schaffen geblieben ist. Durchaus passend also, dass exakt in der Mitte dieses Buches die Frage nach dem Unterschied zwischen Wahrheit und Schönheit auftaucht: auf einer Pressekonferenz [in der Londoner Royal Albert Hall] zu eben diesem Album, gestellt, berichtet Blandford. von einem französischen Journalisten und von Harvey selbst „geschickt übergangen“. Wer das Buch bis dahin gelesen hat, beeindruckt oder leicht befremdet von der streckenweise beamtenmäßigen Nüchternheit, mit der Blandford Harveys Leben und Karriere reportiert, könnte meinen, nun auf den Kern der Sache gestoßen zu sein. Denn ebenso wie Harvey auf jener Pressekonferenz weicht der Autor dem Grundprobtem aus, rettet sich in Daten und Fakten. Das möchte man für gut befinden, denn die Musik, die kennt man, hat man selbst erfahren; was fehlt, ist das Bio-Detailgerüst, um das eigene musikalische Erleben und PJs künstlerische Entwicklung, ihre diversen Volten und Abwege, stringent einzuordnen. Dieses Gerüst schraubt Blandford zusammen, detailliert, chronologisch, scheinbar verlässlich – allerdings [und so was kann ein solches Gerüst insgesamt ins Wanken bringen] muss ich an einer Stelle widersprechen: PJ Harvey hat die zentrale Frage sehr wohl beantwortet, ein paar Stunden später, im Taxi, an einer Londoner Ampel, ohne Worte. Und gestellt hat sie kein „französischer Journalist“, sondern der Schreiber dieser Zeilen.
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