JamieT im Grünspan, Hamburg

Es dauert genau zwei Songs, um zu wissen, dass das hier ein Rockkonzert werden wird. Und nur einen, um der Gänsehaut bei der Eroberung unserer Unterarme zuzusehen. In melancholisches Blau gehüllt, inszeniert Jamie T ein feinlühliges „St Christopher“ als Opener, bevor seine Buddy-Holly-Tolle schweißnassen Gitarren entgegenschnellt. Da kann der Bandkollege an den Laptops frickeln, Elektroloops und Samples müssen sich heute hinten anstellen. Stattdessen nasale Britrock-Poesie im Gossenslang.

Kein Musiker ist zurzeit derart crossover wie Jamie T. Der Engländer, der aussieht als sei er durch eine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme zur Musik gekommen, rüpelt sich durch den Spielplatz der Musikstile, schaukelt vom Hip-Hop zum Ska, rutscht vom Reggae zum Punk und klettert mit ein bisschen Folk das Elektrogerüst hoch – zwischendurch noch kurz die Sandburg Mike Skinners zertreten, denn wo The Streets seinen Sand in kleinen Förmchen backt, wirbelt Jamie T ihn in alle Richtungen auf.

Nur live, da verquirlt der 24-Jährige sein Material weniger stark, trennt die musikalischen Bausteine klarer voneinander ab. Wo seine Platten exotisch abbiegen, hält er Kurs auf schrammelnde Gitarren. So breitet sich ein rohes „Alicia Quays“ aus, während „Pacemaker“ wie eine Razzia durch die Menge stürmt und „Northern Line“ sich zu taumelnder Ohnmacht steigert. Das Publikum dankt es ihm frenetisch – überhaupt, nachdem Jamie T im Oktober seine Tour kurzfristig absagen musste, scheint sich das Warten zur kribbeligen Unruhe gesteigert zu haben, die sich vom ersten Song an in Mitsing-Orgien entlädt. Gott sei Dank ohne je in bierseliges Gegröle abzurutschen. Nur schade, dass Crossover-Jamie sich nicht in der Kleidung seiner Fans widerspiegelt. Denn da sind doch wieder nur haufenweise Sneakers an den Füßen und Mützen auf den Köpfen. Bloß nicht vom Indie-Schema abweichen!

Jamie T, bald nur mehr auf ein verschwitztes T-Shirt reduziert, schenkt mit einem röhrenden „1977“ von The Clash nach und kurzfristig verwandeln sich die Indiewollmützen in Punkköpfe. Unbeweglichkeit ist heute sowieso ein Fremdwort, nur für die Zugaben scheint auf der Bühne kurzfristig der Enthusiasmus auszugehen. Etwas weniger euphorisch schmettert Jamie T „Chaka Demus“ und „Sticks’n’Stones“ dem aufgekratzten Publikum entgegen – um die auf den letzten Metern nicht zu enttäuschen, muss eine baldige Stärkung in Aussicht gestellt werden. Ob jemand wisse, wo man in dieser Stadt Gras kaufen könne, fragt er verschmitzt. Äh, welcher Spielplatz war das gleich?