Japan – Adolescent Sex
Sie sehen aus wie eine schlechte Kopie der New York Dolls, und der Griff in den Hosenschlitz in der Japan-Anzeigen-Werbung scheint auch nur Abgeschmacktes zu versprechen. Was also schließt man daraus? Wieder irgendsoeine drittklassige Lärmkapelle, die die Gitarre mit einem Hammer und das Schlagzeug mit einem Amboß verwechselt? Von wegen! Hinter dem aufgesetzt-puppenhaften Gesicht des Sängers und Songschreibers Dave Sylvian verbirgt sich ein cleverer Kopf, dem zum Thema „Adolescent Sex“ (adolescent = jugendlich, „heranreifend“) alles mögliche einfallt. Und das sind keine spätpubertären Phantasien verdrängter Lüsternheit, sondern realistische, coole, abstrakte oder kritische Gedanken zur schönsten Sache der Welt. Aber ist es wirklich die schönste? Dave schildert Sex als kalte Routine, als Kaufobjekt, als Leidenschaft; als exotischen Gag mit einem Schuß Sadismus („Comniunist China“) oder als Verhaltensnorm einer pseudo-liberalen Lebensauffassung.
Die Erregung in seiner Stimme wechselt ab mit verächtlichem Überdruß, oft quält er sich manieriert durch die Zeilen. Musikalisch betrachtet, ist „Adolescent Sex“ streckenweise ein widerborstiges Produkt mit zeitweiligen Tendenzen zur Zerstörungswut. Die Band geht sparsam ans Werk und verzichtet auf überschwängliche Tiraden. Eine Haupttendenz liefert die Funk-Basis der Rhythmusgruppe (Mick Kam, b und Steve Jansen, dr). Drumherum rankt sich oft ziemlich einsilbig die Gitarre von Rob Dean Für die sinnlicheren Elemente sorgt bei Japan Keyboardsmann Richard Barbieri, der manchmal drauf und dran ist, der Band einen leichten Space-Touch anzuhangen. Bei aller Härte und Schroffheit überrascht die Gruppe zwischendurch dann plötzlich mit kommerziellen Passagen,die wie Honig ins Ohr gehen. Außerdem liebäugeln sie mit leicht experimentellen Ideen, die in Bowies Richtung zielen – unbewußt vermutlich.
Als Schallplattendebüt verspricht „Adolescent Sex“ eine Menge. Die Musiker sind noch jung und wurden in den vergangenen Wochen als fotogene Paradiesvögel in der gesamten Teeniepresse herumgereicht. Ich bin jedoch überzeugt, daß eine Menge mehr dahinter steckt.