Jazz
Neues vom Dauerabonnenten auf Preise, Polls und Solo-Gigs: Albert Mangelsdorff muß als wandelnde Legende des neueren deutschen Jazz nicht mit Überraschungen aufwarten. Wer den allzeit aufrechten Polyphon-Posaunisten kennt, der darf alte Liebe auffrischen – bei bluesnahem Repertoire, dem Wolfgang Dauner gelegentlich eine popverdächtige Akkordwendung unterschiebt, während Drummer Elvin Jones die kühl swingende Hitze in der HOT HUT (EMI) souverän schürt. (4)
Neues auch vom slickaphonen US-Posaunisten Ray Anderson, der schon lange mal dem Image des schrägen Funk-Entertainers entgegensetzen wollte, daß er auch mit Standards umzugehen weiß. Also besorgte er sich eine konventionelle Rhythmus-Section (und was für eine: Kenny Barron, Cecil McBee, Dannie Richmond!) und machte sich mit avantgardegeschulter Aggressivität über den Bebop her. Feuerprobe bestanden: OLD BOTTLES – NEW WINE (Enja) muß nicht unter Etikettenschwindel abgebucht werden. (4)
Was hat Blue Box mit „Pension Winnetou“ gemeinsam? Den Trompeter Reiner Winterschladen. Außerdem herrscht hier wie dort respektloser Eklektizismus: Bossa und Bigband, Fake und Tradition. Auch Baß und Schlagzeug (vom Contact-Trio übriggeblieben) sind mit allen Trends gewaschen, ohne in ihnen aufzugehen. Verspielt und doch verbindlich funktioniert ihre SWEET MACHINE (ENJA, knapp: 5)
Stefan Winter hat für das JMT-Label zwei Debüts von Bläsern an Land gezogen, die 1985 in den Gruppen prominenter Bassisten angenehm auffielen: Bei Dave Holland hörte man den Altsaxofonisten, der nun in der Steve Coleman Group den Ton angibt. Geri Allen spielt Klavier. Neben swingendem Newjazz finden sich „Freebop“ und sogar ein reggaeinfiziertes Feeling. So hat MOTHER-LAND PULSE nur eine Schwachstelle-, das häßliche Cover. (4)
Slickaphonics-Bassist Mark Helias konnte im vergangenen Jahr den Trompeter Herb Robertson und Saxer Tim Berne für sein spannendes Split-Image-Projekt gewinnen. Zusammen mit Bill Frisells mal wieder dämonisch verzerrter Gitarre, ansonsten aber ohne Rückgriff auf elektronische Finessen, ergehen sie sich in experimentellen Klängen und Strukturen. Daß der hier ausgebrütete starke Tobak auch noch zu Recht TRANSPERENCY benannt werden konnte, ist dem Herb Robertson Quintett hoch anzurechnen! (5)
Noch besser kommt der flirrende Sound des vielbeschäftigten Herrn Frisell im Paul Motian Quintett zur Geltung. Der Drummer schreibt unkategorisierbare Musik vom folkloristischen Liedgut bis zum schroffen Kollektiv-Pulse. JACK OF CLUBS (Soul Note. 4) ist ähnlich unberechenbar wie THE SIXTH SENSE (Black Saint, 4), Don Pullens Streifzug im Quintett von der „Garbarek“-Ballade über Marching-Band-Ausgelassenheit bis zum 5’4-Riff, das der Pianist mit brachialen Clustern angeht.
Weather-Report-Fans, die miterleben mußten, wie Joe Zawinul im Alleingang als klägliche Marionette seiner Tastenmonster unterging, können sich an Wayne Shorter getrost wieder aufrichten. Auf ATLANTIS (CBS) erweist er sich erneut als einer der wichtigsten Komponisten des Jazz. Seine weitgehend auskomponierten Arrangements mit gelegentlich doppelt besetzem Klavier verschmelzen die Komplexität ausufernder Weather-Report-Sinfonien mit akustischem Jazz-Klangbild, vereinen suggestive Harmoniefolgen und frappierende Wendungen. Und Shorlers Sopransax klingt so betörend wie eh und je. Hier gibts immer wieder neues zu entdecken! (5)
Warum mußte erst der von Double Image her bekannte Bassist Harvie Swartz ein Album mit überwiegend Balladen konzipieren und so den passenden Vorwand liefern, daß wir uns David Sanborn und Mike Stern in aller Ruhe als beseelte Jazzimprovisatoren zu Gemüte führen können? URBAN EARTH (Gramavision) ist vielleicht nicht spektakulär, dafür aber uneingeschränkt schön. (5)
Von Billy Hart am Schlagzeug und Mitstreitern wie Dave Holland, Steve Coleman, Bill Frisell (again!), Kenny Kirkland, Branford Marsalis, Didier Lockwood hatte ich mehr erwartet als eine Neuauflage des gefälligen NewJazz der späten 70er Jahre. Deshalb für OS-HUMARE (Gramavision) nur knapp: (4)
Lupenreiner Jazz auf dem Pausa-Label? Obwohl der Tenorsaxer Don Menza sich die Chorusse auf HORN OF PLENTY mit Chuck Findley und Bill Reichenbach teilt, deren Credits zahllose Popalben zieren, spielt sein Sextett im Stil der Mannen um Art Blakey. Eine „little Big Band“ mit satten Bläsersätzen.(4)
Woody Shaw hat in den 70ern für das MUSE-Label manches Album mit eigenen Titeln eingespielt, gegen die nun sein SETTING STANDARDS (MUSE) bei allem Respekt vor dem vielfach unterschätzten Trompeter abfällt wie so manche Pflicht gegenüber der Kür. Dabei kann der Rückgriff auf Bewährtes sein Gutes haben — wenn zum Beispiel der Jazzrock-Pionier Larry Coryell sich für COMIN‘ HOME (MUSE) mit No-Nonsense-Veteranen zusammentut und den Staub von seiner Gibson Super 400 pustet, um ein ungewohnt relaxtes Album einzuspielen. (3) Ohne Akrobatik kommt Coryell auch im Duett mit Emily Remler aus. Statt den Larry raushängen zu lassen, spielt er schlicht TOGETHER (Concord), so daß es trotz der Vorherrschaft elektrischer Klampfen subtil zugeht. (4)
Kein Zweifel: Carla Bley hat Mut. Diesmal zum Background. für den sie Musik geschrieben hat, die niemandem nix beweisen soll. Wenn auf NIGHT-GLO (WATT) überhaupt irgend etwas im Vordergrund steht, dann der melodiöse Baß des Mr. Swallow, der sich auf dem Cover von Carla bedienen läßt. (4)
Vom virtuosen Spiel des Spaniers Carlos Benavent war Chick Corea so angetan, daß er in den 8Oern zwei Alben mit dem Bassisten aufnahm. Benavents Solo-Anlauf PEACHES WITH SALT gemahnt denn auch an keyboardselige „Mad Hatter“-Zeiten, besticht mit verzwickten Themen, Metren und Arrangements und bleibt bei alldem doch meist eingängiger Latin-Jazz. Knapp: (5)
Eingängig klingt auch die „unumstrittene Nr. 1 der spanischen Electric Jazz/ Fusion Szene“. Aber die arg an US-Vorbildern orientierte COMMUNICATION der Band Pegasus zählt -— obwohl Keyboarder und Gitarrist mir bei Benavents „Salzigen Pfirsichen“ Lust auf mehr machten -— zu den halbseidenen Platten, die ich mir ohne Widerstand auflegen, aber auch wieder wegnehmen lasse. (3, beide FROG’EIA)
Percussion und brasilianische Vocals eines Airto Moreira bewahren das AI Di Meola Project nicht konsequent davor, in beschaulichen Klangbädern zu ersaufen. SOARING THROUGH A DREAM (EMI) scheitert an einer Gratwanderung, mit der allenfalls Pat Metheney ohne Abstürze zurechtkäme. Knapp: (3)
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