Jazz

Pat Metheny und sein Keyboarder Lyle Mays wandeln auf Solo-Pfaden in entgegengesetzte Richtungen. Der Gitarrist, der schon seit langem (so auf 80/81 oder REJOICING) dem Saxophonisten Ornette Coleman Tribut zollt, hat sich mit seinem „Hero of musical revolution“ zusammengetan -— für SONG X (Geffen/WEA), eine LP, auf deren Cover Colemans Name besser an erster Stelle stehen sollte. Er dominiert als Komponist, bei den Soli und mit seinem „harmolodischen Konzept“. Erst auf der B-Seite bricht Metheny auch mal aus der Sideman-Rolle aus. Hinzu kommt, daß Bassist Charlie Haden ein alter Spezi Colemans ist und auch die Besetzung mit zwei Drummern an dessen Formation Prime Time erinnert. Verwirrende Motivgeflechte, furioses Drauflos-lmprovisieren — diese Musik soll wohl alle guten und bösen Geister auf einen Schlag austreiben. (4)

Erholung für „entgeisterte“ Fans Methenyscher Wohlklangschwelgereien gibt’s auf dem gleichen Label. LYLE MAYS besticht durch die nuancenreiche Kombination von akustischer und vollsynthetischer Musik, mal an Keith Jarrett erinnernd, mal wie Metheny plus Saxophon, über weite Strecken „Pop as jazz can“ — der Stoff, an dem sieh Walkman-User berauschen. Knapp: (5)

Mit einer hierzulande nicht vorstellbaren Unbefangenheit hat Yosuke Yamashita 1985 ein Konzert beim Münchner Klaviersommer gegeben, das die Firma Enja nun als Doppelalbum anbietet. Titeltrack ist Ravels BOLERO, bald in gewaltige Cluster mündend. Zunächst im Solo ist auch der Bambusflötenspieler Hozan Yamamolo zu hören. Es folgen Duette, darunter eine befremdliche Version von „Scarborough Fair“ (!). Keine runde Sache; für manche Überraschung gut -— vor allem, weil Yamashita diesmal auch konventionellen Piano-Jazz spielt. (4) Bläser pur: FIRST BRASS (Marecords) ist das europäische Gegenstück zu den meist schwarzen Brassbands aus den USA. Derek Watkins, Allan Botschinsky. Bart und Eric van Lier spielen für die etwas reiferen Jahrgänge. Eine furchtbar geschmackvolle kleine Bigband, die Connaisseurs technisch brilliant abfüttert. (3)

Traditionalisten, die nicht gleich am Swing klebengeblieben sind, werden auch mit der Klaus Ignatzek Group LIVE IN SWITZERLAND (Nabel) warm werden. Der Pianist hat für die Zusammenarbeit mit dem Saxer Bobby Watson coolen Bop mit McCoy Tyner-Einsprengseln verfaßt.

Soliden Modern Jazz spielt auch Drummer Alvin Queen JAMMIN‘ UPTOWN (Nilva) in der Manier Art Blakeys, mit drei Bläsern und John Hicks am Piano. Beide knapp: (4)

Joanne Brackee, die live gern Eigenwilliges auftischt, zieht sich für ihr Trio-Album HAVIN‘ FUN (Concord) leider auf Standards zurück, die sie auch noch eher brav absolviert. Knapp: (4)

FUSION-TELEGRAMM: Weather Report hat für THIS IS THIS (CBS) Peter Erskine an die Drums zurückgeholt — aber nur, weil die 15. auch die letzte sein wird — Zawinuls „Songs“ ohne Punkt und Komma haben lang genug um sich selbst gekreist +++ More jazzy: Trompeter Lew Soloff auf HANALEI BAY – exzellente Percussion — Jazz Evergreens in pfiffigen Fusion-Versionen +++ Ebenfalls Electric-Bird-Label, aber trotz vielversprechender Mannschaft vulgär bis hektisch: CHANT von George Young +++ Paquito D’Rivera mal wieder mit harmlosem Latin-Jazz — von wegen EXPLOSION (CBS) +++ Viel Power, wenig geschmackliche Ausrutscher: Latinfusion des Flötisten Dave Valentin auf JUNGLE GARDEN und LIGHT STRUCK (beide GRP) +++ Dizzie Gillespie nicht CLOSER TO THE SOURCE (Atlantic), sondern unerwartet nahe am Absturz ins billige Buhlen um die Charts. Unter seinen Komplizen: Stevie Wonder, Marcus Miller und Kenny Kirkland +++ Statt TOMATO KISS (Nabel) mit Uli Beckerhoff, Detlev Beier und Reiner Schnelle lieber gleich die Studio-Zauberer von Special EFX – SLICE OF LIVE (GRP) ist mindestens so glatt, aber dabei lockerer, verspielter +++ Schlicht überflüssig: Larry Carlton mit ALONE/BUT NEVER ALONE (WEA) und POWERPLAY (GRP) von Billy Cobham — sollten schleunigst brauchbare Komponisten beschäftigen!