Jazz
Saxophonist Michael Brecker spielte mit der Band Steps (mittlerweile Steps Ahead) nie munterer als auf einem Doppelalbum von 1980 — dem Japan-Import SMOKIN‘ IN THE PIT. Das sollte den Pianisten bei dieser Liveaufnahme nicht ruhen lassen. Don Grolnick hat seinem alten Spezi acht Titel maßgeschneidert: HEARTS AND NUM-BERS (Verabra). Pop, Reggae. Jazz. Funk- und illustre Studio-Prominenz (Peter Erskine, Will Lee u.a.). Eine geschmackssichere Mixtur — dank des Einfallsreichtums und der Integrität eines Routiniers, dessen Credits für sich sprechen: James Brown, Steely Dan. Chaka Khan. Paul Simon. Nicht umsonst nannte Grolnick eine der Nummern mit Reggae-Touch „Act Natural“. Sogar Gastbassist Marcus Miller hielt sich dran. Bei aller Raffinesse dient Grolnicks „Berieselungsmusik fiir Aufgeklärte“ vor allem dem ehrenwerten Ziel, Breckers Tenorsax ins denkbar beste Licht zu rücken. Was auch gelingt. Knapp: (5) Kurz nach einem Sampler mit seinen MASTER STROKES aus den Jahren 1978-85 veröffentlicht Bill Bruford auf dem EG Records Label neues Material. Zur Vorabcassette gab’s leider weder den LP-Titel noch die Namen der Mitstreiter. Aber fest steht: Der ehemalige Drummer von Bands wie Yes. King Crimson und U.K. bürgt als Bandleader für ungewöhnliche Rhythmuskonzepte und Kompositionen, die in kein Schema passen.
Neu ist bei Brufords eigensinnigem Streifzug durch Swing, Pop, (Free)Jazz und Ethno-Reviere, daß diesmal ein Saxophon voranmarschiert.
Ertrag der Expedition: zwar kein weiterer Klassiker vom Kaliber der Spät-70er-Alben FEELS GOOD TO ME oder ONE OF A KIND. Aber Bill Bruford bleibt trotzdem unbeirrbar und spannend. (4) Auch Gary Burton hat einen Saxer eingekauft. So kann er die Vibraphon-Klöppel schonen, Bandmitgliedern das Komponieren überlassen — und braucht sich doch um das „Burtonmäßige“ keine Sorgen machen: Pianist Makoto Ozone schreibt und spielt Latinjazziges im ECM-Gewand, das auch Saxer Tommy Smith mit größter Selbstverständlichkeit zur Schau stellt. Schwachpunkt: Die beiden Fremdtitel der Pianisten Chick Corea und James Williams sind sich in Harmoniefolge und 6/8-Rhythmus verdammt ähnlich. Ansonsten ist an den WHIZ KIDS (ECM) garantiert nichts ungewöhnlich. (3) Der amerikanische Jazznachwuchs bleibt erfrischend unberechenbar. Geri Allen setzt plätschernde Black Music-Gesänge zwischen urbanen Funk und Salsa-Derivate, läßt einen Steptänzer seltsame Grooves vorlegen, knüpft an Keith Jarretts orchestrales Meisterwerk NOMADS (von 1972!) an. Baß und Schlagzeug borgte sich die Keyboarderin bei Roscoe Mitchells avantgardistischem Sound & Space Ensemble aus. Kein Zweifel: Der Titel OPEN ON ALL SIDES (minor) ist Programm. (4) Schon mit ATLANTIS hat Saxophonist Wayne Shorter den alten Kollegen von Weather Report gezeigt, daß solide Songstrukturen auch komplexer Musik gut tun. Auch sein neues Solo-Album PHANTOM NAVIGATOR (CBS) ist keine haltlose Irrfahrt, bei der nur noch der Rhythmus als Kompaßt taugt. Trotz Emulator, Akkord-Kaskaden, knatternden Drum-Computern: Shorters Weltmusik hat Hand und Fuß. (4) Bäumchen Wechsel dich: Wenn die Jazzer im Popdress rumlaufen und mancher Popstar mit der Fusion anbandelt, dann leistet sich ein Mann wie der Gitarrist Larry Carllon eben „some siraighi ahead Jazz“ — sessionmäßig in Szene gesetzt mit alten Freunden von Terry „Tasten“ Trotter bis Abraham Laboriel am Baß. Dann erklingt Vertrautes von Miles Davis als federnd lockerer Steely Dan Swing. Wie bei Gary Burton gibt’s ’ne Überdosis 6/8: Carltons „B. P. Blues“ und der von Miles addieren sich auf LAST N1TE (WEA) zu einer 16minütigen Triolen-Orgie. Dabei hat der gute Larry bekanntermaßen alles drauf: wenn R&B, dann sophisticated; wenn Funk, dann mit — leider nachträglich aufgepapptem — Bläsersatz; wenn Ballade, dann in ergreifender Zeitlupen-Melancholie. (4)
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