Jazz
Das Kronos Quartet spielt Monk, Keith Jarrett jetzt nun auch Klavierkonzerte Mozarts – und Charlie Parker machte sich und sein Sax sowieso am liebsten mit Inventionen von J.S.Bach warm. Klassik & Jazz, der Stil-Spagat funktioniert derart, daß George Gerswhin mit seinen mittlerweile zu Konzert-Klassikern gewordenen ‚Rhapsody In Blue‘ und ‚I Got Rhythm“ jetzt zu neuen, so noch nie gehörten Weihen kommt. Statt ewig den Sound of Jazz hinter dem prächtigen Symphonie-Klang zu verstecken, rückt der Pianist Marcus Roberts, Zögling immerhin von Traditionalist Wynton Marsalis, auf PORTRAITS IN BLUE (Sony SK 68.488) die Roots wieder richtig. „Alles begann in New Orleans und nicht am Broadway“ – so könnte Roberts‘ Motto bei der Einspielung mit dem Lincoln Center Jazz Orchestra gelautet haben, denn noch nie klang Gershwin so aufgeheizt karnevalesk, noch nie wurden Rags so partymäßig ohrendurchpustend und damit überzeugend durchdacht. Als Entdeckung gibt’s noch ‚Yamekraw‘ von James P.Johnson, eine weiland von Fats Waller uraufgeführte, den Charleston propagierende Antwort auf skurrile Rhapsodien. 5 Sterne.
Auch den Rückgriff via klassische Vergangenheit interessierte den französischen Klang-Magier, Klarinettisten & Saxophonisten Louis Sclavis. Ansonsten für Folkore Imaginaire verantwortlich, huldigt er mit seinem Sextett auf LES VIOLENCES DE RAMEAU (ECM 1588) dem Landsmann Jean-Philipp Rameau, seines Zeichens einer der größten Barock-Komponisten. Doch Sclavis und seine Alter Ego wie Yves Robert (pos) und Bruno Chevillon (d-b) sehen die überrhythmisierten, von royalistischer Strenge geprägten Vorgaben als Skizzen, mit denen in aller Farbenpracht gearbeitet werden konnte. Das bedeutet diesmal neben den mal nervösen, mal erhabenden Gesten-Choreographien, die durch alle Instrumente weitergereicht werden, sogar schon heftigsten Rock-Jazz. Für Sclavis ungewöhnlich, aber schließlich ließ Rameau ja die Grundwerte seiner Zeit ebenfalls kraft- und spannungsvoll erbeben. 5 Sterne.
Die Auseinandersetzung mit Geschichte ist auch oberste Maxime des akustisches Albums des Fabel-Gitarristen Kevin Eubanks, LIVE AT BRADLEY’S (Blue Note / EMI 7243 8 30133). Mit den nicht minder schwungvollen Sidemen James Williams (p) & Robert Hurst (b) scheint sich Eubanks vor den glorreichen Zeiten des legendären Oscar Peterson-Trios feat. Herb Ellis verneigen zu wollen. Von den sieben Tracks sind 6 Standards, von Weill bis Ellington, von Hampton bis Zawinul, und das zeigt schon die traumhafte Richtung an, in der lyrisches Sentiment auch mal die feurigen Up-tempo-Zähne zeigen darf. Da wird ständig geswingt und gebluest, was das Reservoir der feinen Kulinarik hergibt, ohne das alles im exhibitionistischen Showdown münden muß. Hier sind einfach drei grandiose Musikanten am Werk, die gelernt haben, den Respekt gegenüber dem Mitstreiter in Noten einfließen zu lassen. Daher ist es ein ganz zeitgenössisches Meisterwerk! 5 Sterne.
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