Jeff Mills – Blue Potential: Live With Montpellier Philharmonie Orchestra

Man muß sich die ursprüngliche Funktion von Techno ins Gedächtnis rufen, um zu erkennen, daß das gemeinsame Album einer Detroit-Legende wie Jeff Mills mit einem Symphonie-Orchester nicht aufgehen kann. Techno war Tanzmusik. Mit allem, was dazugehört: Anderssein (als eine Art politisches Statement), Tanzen (als ritualisiertes Balzverhalten), Saufen und Drogennehmen und die gewünschten Interaktionen aus Anderssein, Tanzen/Sex, Saufen und Drogennehmen. Irgendwann wird ja alles intellektualisiert: Kaninchenzüchten, Fußball, Techno. Und später wurde die Tanzmusik von theoretisierenden Menschen, die zwar auch anderswaren, soffen und Drogen nahmen, aber nur nicht tanzen wollten, zur Kunstform erhoben, bis die künstlerische Auseinandersetzung mit dem Genre auch auf Produzentenebene stattfand und die ursprungliche Funktionalität in den Hintergrund trat. Aphex Twin, Autechre, LFO, Coldcut, 808 State. Köln. Berlin. Das war Kunst. Ohne Symphonieorchester. Ohne „E-Musik“-Mäntelchen. Wenn jetzt Jeff Mills zulasten des Beats die fragmentarischen Melodie-Elemente von seinen Hits wie „The Bells“ und „Sonic Destroyer“ von einem Orchester spielen läßt, während er dabei an den Turntables rummacht, klingt das im besten Fall nach billigerS oundtrack-Musik und in den ganz schlimmen Fällen wie Rondo Veneziano. Oder anders gesagt: blue Potential hilft dem verstrahlten Nachtdurchtänzer genausowenig wie seinem stubenhockenden, nichttanzenden Pendant.

www.tresorberlin.com