Jim Carroll Band – Dry Dreamns

Jetzt muß er Farbe bekennen, der blonde ex-Junkie, Beat-Poet und vermeintliche Rock-Sänger aus New York. Die Wogen der Euphorie um das Debüt-Werk CATHOLIC BOY sind verklungen. Jim Carroll startet mit neuer Band zum erneuten Käufer-Fang. War CATHOLIC BOY hierzulande noch mit dem Manko der fast um ein Jahr verspäteten Veröffentlichung belastet, so kann man bei der neuen LP DRY DREAMS immerhin von einem zeitlich neuen Produkt sprechen. Doch so richtig will mir kein eindeutiges Hurra über die Lippen. CATHOLIC BOY war eine Scheibe mit zeitgenössischem, bissigem, fetzendem, krachendem, scharfem Rock aus der Big City. Songs wie „Wicked Gravity“, „People Who Died“ oder „City Drops Info The Night“ sägten sich in die Windungen meiner Gehörgänge. Da stimmte jeder Ton, jedes Riff, jede Melodie und jedes Wort. Jim Carroll transponierte die gesamte Genialität, Power und Verbissenheit seines literarischen Könnens in die Schwingungen derpulsierenden, aufbrechenden Rock ’n‘ Roll-Töne. Als Autor und Poet ist Jim Carroll auch anno ’82 noch ausdrucksstark und überzeugend. Seine rollenden Worte sind immer noch scharf, eindeutig und aussagekräftig. Keine schönen, wohlklingenden Worte, die Carroll im Sprechgesang ausspuckt, sondern markante Vokabeln, die klar umrissene Bilder aus der Realität des Molochs New York zeichnen und düstere Schnappschüsse aus den Tagträumen des Rock ’n‘ Roll-Poeten belichten. Doch die rollenden Töne trotten dem Standard der rollenden Worte um Längen hinterher. Der geschweißte Sound aus Schlagzeug, Baß, Orgel/Piano und Gitarre ist im Vergleich zu CATHOLIC BOY recht zahm und ruhig, bei weitem nicht von solcher dominanten Aggressivität. Die Wogen sind geglättet, das Sturmsegel gekappt, der Orkan verzogen. Jim Carroll auf dem Weg zum stromlinienförmigen Rock-Sänger, gebändigt und geschliffen für das chartdegenerierte Konsum-Ohr? Die Befürchtung ist nicht völlig von der Hand zu weisen. Mit DRY DREAMS rutschte Jim Carroll jedenfalls wie viele Kollegen in die gleiche Misere, nach einem gelungenen Debüt ein adäquates Folge-Werk zu produzieren. Er hat diese Hürde nicht gemeistert! Auf Papier hätte seine Poesie besser abgeschnitten als auf Vinyl. 2 Willi am Tresen