John Cale – Walking On Locusts

Es war einmal ein Gesetzloser namens John Cale: unversöhnlich, unberechenbar und mehr als nur ein bißchen verrückt. Mit Velvet Underground schwamm er konsequent gegen den Strom. Später besang er die Furcht als beste Freundin des Mannes, beschwor die Geister im ‚Heartbreak Hotel‘, wie es Elvis nie gekonnt hätte, und brach schon mal schluchzend über dem Klavier zusammen. Ob Brutal-Rock (SABOTAGE/LIVE), Avantgarde-Strukturen (MUSIC FOR A NEW SOCIETY, THE CHURCH OF ANTHRAX) oder Fin-de-siecle-Flair (PARIS 1919): Der Mann kannte keine Grenzen. Und heute? Wie sangen einst The Clash in einem alten Desperado-Song? ‚I Fought The Law, And The Law Won.‘ WALKING ON LOCUSTS ist beileibe nicht schlecht, nur bisweilen arg nett. Zu selten kräuseln krasse Klänge die glatte Oberfläche. Stattdessen gibt’s Ohrwürmer (‚Dancing Undercover‘, ‚So What‘, ‚Instinct Notion Of Cool‘) mit dick aufgetragenen backing-vocals. Auf ‚Entre Nous‘ etwa ist Chris Rea nicht mehr fern. Mitunter läßt Cale auch wieder seinem Hang zum Prätentiösen freien Lauf (‚Teil Me Why‘, ‚Circus‘). Wenn der enigmatische Waliser aber in die Tiefe geht, dorthin, wo’s die schrägen Töne und schaurig-schönen Stimmungen hat, ist er brillant. So in der zerrissenen Country-Ballade ‚Set Me Free‘, im getragenen ‚So Much For Love‘ oder im atmosphärischen ‚Secret Corrida‘.