Kammerflimmer Kollektief – Absencen

Als der Philosoph Edmund Hussert die völlig neue Musik erstmals hörte, faßte er seine verwirrte Faszination in zwei hübsche, erhellende Sätze: „Eine gewisse Mittelbarkeit der Intentionalität muß hier vorliegen, die ein Mit da vorstellig macht, das doch nicht selbst da ist, nie ein Selbst-da werden kann. Es handelt sich also um eine Art des Mitgegenwärtig-Machens, eine Art Appräsentation“. Alles klar? Heute können wir getrost Improvisation dazu sagen, obschon das Kammerflimmer Kollektief auch auf ihrer fünften Platte, ABSENCEN, deren absolutes Gegenteil kultiviert, die kalkulierte Unmittelbarkeit klanglicher Willkür, wie sie sich am Computer erzeugen laßt. Am Rechner erzeugt der Karlsruher Multiinstrumentalist Thomas Weber weite Klangflächen und zackige Störgeräusche, die alles andere als berechnend klingen – zumal er sie mit den analog produzierten Instrumenten seiner Kollektief-Kollegen kombiniert, die so gar nicht konventionell klingen wollen. Harmonium, Saxophon, Violine, Gitarre, Vibraphon und ein mit dem Besen gestreicheltes Schlagzeug vereinen sich friedlich mit dem Genossen Computer zu einer ambienten Melange aus Freejazz und Musique concrete. Dabei wirken alle Stücke auf absencen trotz ihrer Dichte luftig und transparent: Das Nebeneinander von Gespieltem und Programmiertem ist klangtechnisch so clever abgestimmt ist, daß sich sogar ein hypernervöses Altsaxsophon und ein gemütliches Harmonium nicht nur souverän die Waage halten, sondern ergänzen. Im Ergebnis ist das vergleichbar nur mit ähnlichen Experimenten von Stefan Betke (Pole). Pan-American oder auch Tortoise – thinking man’s lounge music. Husserl würde es lieben.

VÖ: 29.3.

www.kammerflimmerkollektief.de