Kate Bush

Before The Dawn

Fish People/Rhino/Warner

Dawn of the Bush: Zwei Jahre nach ihrem sensationellen Live-Comeback geht die Queen of Artpop nur den halben Weg, aber der ist auch sehr schön.

Die Wege der Herrin sind unergründlich: Nach 35 Jahren der Live-Abstinenz kündigte Kate Bush im März 2014 an, wieder auf die Bühne gehen zu wollen. Manchen Quellen zufolge waren die 22 Shows im Londoner Hammersmith Apollo innerhalb von nur sieben Minuten ausverkauft. Die glücklichen Besucher bekamen ein audiovisuelles Ereignis geboten, das die Grenzen der Idee eines Konzerts verschob. Neben Tänzern und Puppenspielern beinhaltete dies Gedichte schießende Kanonen und das Pfählen eines Konzertflügels. Viel zu gut, um Musical zu sein. Umso verwunderlicher – aber was wundert einen bei der Queen of Artpop schon noch? –, dass diese Abende nun lediglich als Live-­Album verewigt werden.

Bush hofft, dass dieses „Audiodokument als eigenständiges Stück Musik bestehen kann“. Kann es natürlich. An Bushs Stimme sind die Jahre wirkungslos vorübergegangen, die Abmischung ist perfekt, über die Qualität der Songs kann man eigentlich nichts mehr schreiben. Die drei CDs spiegeln die Aufteilung von BEFORE THE DAWN wider: CD 1 enthält mehr oder weniger Greatest Hits wie „Running Up That Hill“ (mehr) und „Top Of The City“ (weniger). Frühe Erfolgsnummern werden ausge­spart, so ergeben sich keine Dopplungen mit Bushs erstem Live-Album von 1994, einem Mitschnitt von ihrer bislang einzigen Konzertreise, „The Tour Of Life“ aus dem Jahr 1979, aufgezeichnet an derselben Stelle.

Der große Makel an LIVE AT HAMMERSMiTH APOLLO war die starke Reduktion: Von den 24 dargebotenen Songs wurde nur der Hälfte Eingang in die Tracklist gewährt. BEFORE THE DAWN dagegen gibt den Abend fast eins zu eins wieder. Sogar der Monolog eines Astronomen, der den Notruf eines Schiffs aufgefangen hat und nun die Küstenwache alarmiert, wird zitiert. Er führt den düsteren Inhalt von CD 2 ein: die Suite „The Ninth Wave“, die Kehrseite von Bushs poppigstem Album, HOUNDS OF LOVE. Der Kampf der ertrinkenden Bush gegen das Meer und seine Bewohner hat nichts von seiner Intensität verloren. Wird der Tag je kommen, an dem einem das von Bushs deutscher Freundin Gabi Zangerl gewisperte „Tiefer, tiefer, irgendwo in der Tiefe gibt es ein Licht“ am Ende von „Hello Earth“ keine Gänsehaut mehr verursacht?

Auf CD 3 findet sich „A Sky Of Honey“, der lebensbejahende Liederzyklus von ­AERIAL. Als Zugabe: „Among Angels“ von 50 WORDS FOR SNOW und eine euphorische Version von „Cloudbusting“. So ist BEFORE THE DAWN eine beeindruckende Präsentation von Bushs ungebrochener Energie, die sich auch ohne die Bildspur überträgt. Aber dennoch: Sehen würde man das Ganze schon auch (noch mal). Aber vielleicht ist da ja schon was Entsprechendes im, Pardon, Busch.