Keimzeit – Im elektromagnetischen Feld

Wer hätte das gedacht: „Deutschrock ist kein Schimpfwort mehr. Das haben wir nicht Grönemeyer, nicht Maffay und auch nicht Westernhagen zu verdanken. Nein, Keimzeit rufen die positiven Aspekte eines fast schon nostalgischen Aktenzeichens zurück ins Leben. Ausgerechnet Keimzeit, die als bluesbeladenes, DDR-nostalgisches Sinnbild für Riemensandalen-Freiheit sich eine euphorische Hörerschaft erspielt hatten. IM ELEKTROMAGNETISCHEN FELD ist ein höchst musikalisches, vollmundiges, mutiges Album geworden. Mut zeichnet vor allem auch wieder Norbert Leisegangs Texte aus. Worte sucht er immer noch auf dem direkten Weg, hat er doch Geschichten zu erzählen und will Befindlichkeiten bloß nicht schönen. Leisegangs poetische Erzählungen schmücken Kaffeeringe, Tintenflecke, Lippenstift. Was gesagt ist, ist gesagt; die Gleichnisse sitzen, die Schludrigkeiten sind kein Zufall, und wenn die Wolken aufreißen, ist auch mal Luft für Liebeslieder. Zur Musik: Wie gesagt, es ist Deutschrock. In allen Facetten – und noch ein bißchen mehr. Keimzeit geben gerne auch gehörig Gas, packen mal die Liedermacherklampfe aus, lassen es zum symphonischen lntro“Gebt der Avantgarde das Licht“ fast wie jüngst Madonna in der Beatbox knacken und versetzen manches gewachsene Bandarrangement mit ausgefuchsten synthetischen Spielereien. Dieser auf dem Papier unvereinbare Crossover bewahrt eher noch davor, manches Gitarren- oder Saxsolo als zu konservativ, manche Arrangements als „Rockpalast“tauglich zu enttarnen. Freilich, Blues ist das schon lange nicht mehr. Jedenfalls nicht im ursprünglichen Sinne.