Keith Jarrett – The Melody At Night, With You

Seit über zwei Jahrzehnten schreibt Keith Jarrett nun-vor allem im Trio mit Gary Peacock und Jack DeJohnette – bereits jene Geschichte des Jazz-Standards fort, deren erste Kapitel die Handschrift des legendären Bill Evans tragen. Doch im Gegensatz zum introvertierten Pianisten Evans war Jarrett immer ein großzügig improvisierender Entdecker. Als Quelle von Jarretts nie versiegenden Phantasie-Reservoirs dienten da die Hymnen von George Gershwin & Co. Von all den harmonischen und rhythmischen Schlingpflanzen hat Keith Jarrett sich nun für sein Solo-Recital The Melody At Night, With You getrennt. Die zehn Oden, von „I Loves You, Porgy“ bis „I’m Through With Love“, sind in ihrer Schlichtheit und puren Schönheit nicht zu übertreffen. Als ob Jarrett in der Askese eine Neubestimmung des Hörens formulieren wollte, reduziert er radikal Melodie und Begleitung, gibt er sich fast als ein demutsvoll dienender Pianist. Kaum wurde jemals dem lyrischen Potential dieser Stücke so ins Herz getroffen wie hier. Tatsächlich scheint Jarrett hier dem letztmöglichen Zauber auf die Spur gekommen zu sein, den man in diesen Jazz-Nocturnes schon immer vermutete-was das Album zur Jahrhundertaufnahme macht.