Ken – Stop! Look! Sing Songs Of Revolutions!, l AmThief
Konsequent. Gleich drei in den letzten Jahren in Mode gekommene Formen von Veröffentlichungsstrategien an einem Tag in den Handel zu beamen, ist schon für „große“ Künstler schwierig durchzuboxen. Was den vom Kleinwuchs betroffenen Blackmail-Fronter Aydo Abay offensichtlich überhaupt nicht anficht. Sideprojects sind spätestens seit Mitte der Neunziger Pflicht, Doppelreleases seit Tom Waits, Bright Eyes und John Frusciante groß im Kommen, und welcher Künstler träumt nicht davon, einmal in seinem Leben seinen Idolen in Form eines Coveralbums huldigen zu können? Aydo macht all dies en bloc und hie et nunc mit I AM THIEF und STOP! LOOK! SINS SONGS OF REVOLUTIONS! Ein bißchen verrückt war Aydo schon immer. Nun holt er zum Rundumschlag in Sachen positiver Beklopptheit aus. Der Napoleon unter den deutschen Frontleuten hat keine Angst vor einem persönlichen Waterloo. Denn Barbie-Freund Ken hat keinen Majordruck, die einzige Schlacht, die Aydo gewinnen muß, ist die des Wiedereinspielens der Kosten. Ob ihm das gelingt, soll hier nicht in Frage gestellt werden. Hier geht es um die Einschätzung der Siegeschancen. Und die sind beim „regulären“ Ken-Album STOP! LOOK! SING SONGS OF REVOLUTIONS! relativ hoch. Aydo scheut die direkte Konfrontation seiner Bauernmiliz Ken mit dem Söldnerheer Blackmail nicht. Eröffnet wird die Schlacht sizilianisch. Auf e2-e4 in Form von „Black Phantom“ folgt c7-c5 aka „Paniciss“. Der Strategie-Klassiker. Beide Tracks würden jedem Blackmail-Album gut zu Gesicht stehen, der Gewöhnungseffekt tritt sofort ein. Ohrwurm „If“ läßt Enfremdungen nicht zu, Gitarrenarbeit Marke QOTSA trifft auf Notwist-Feeling, und Placebo grüßt durch den Briefschlitz in der Türe. Mit „Lend Me Your Leg“ schwingt die Placebo-Tür dann weit auf, mit „Wake City“ wird Slut zum Leben erweckt. Weilheim läßt grüßen, und Aydo gibt Gas in Sachen Morra-Gambit. Es droht die Turmdoppelung an der D-Linie, die zum Ende hin mit „I Shall Be Moved“ und „I Shall Be Removed“ gelingt und Weiß den entscheidenden Vorteil bringen sollte. Bleibt die Frage, was macht Ken, was Blackmail nicht könnte? Antwort: I AM THIEF, ein Cover-Album mit hohem Mitrate-Unterhaltungswert. Bei „Erkennen Sie die Melodie für Pop-Fortgeschrittene“ gibt es die volle Stil-Bandbreite, Begegnungen mit Flock Of Seagulls, The Who, My Bloody Valentine, Peter Gabriel, Ton, Steine, Scherben, Pantera, Kim Wilde und ihren Phonetik-Vettern Can lassen einem wohlige Schauer der Erinnerungen über den Rücken laufen. Gut gemacht und gern genommen. Dennoch: Um den Königsflügel zu decken, reicht I AM THIEF vielleicht noch aus. Aber warum Aydo nicht lieber mit einem gepflegten Doppelalbum die Offensive stärken wollte, bleibt das Geheimnis des Feldherren. Doch für mich ist Napoleon Abay Austerlitz trotzdem weit näher als Waterloo …
www.ken-band.de
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