Kiev Stingl – Hart Wie Mozart

Fangen wir’s chronologisch an; „Teuflisch“ ist die unzensierte Wiederauflage der 1975er-LP von Kiev Stingl, „Hart wie Mozart“ sein aktueller Erguß. Album Numero eins wurde von Achim Reiche], Dicky Tarrach, Jean-Jaques Kravetz, Stefan Wulff und Tissie Thiers unterstützt, auf ,,Mozart'“ tritt Stingl mit seiner Band Stera Lisa auf. Deutsche Texte werden geboten, von Stingl’s monotoner, zur unrechten Zeit extrem auf den Geist gehender Stimme herausgepreßt, in einer Art poetischen SichÜbergebens. Gerade dies jedoch macht die „unrockige“ deutsche Sprache flexibel: Keiner im weiten Umkreis schafft wie Stingl den Verbund aus Deutsch und Rock oder besser: Punk/New Wave-Sound. Instrumental hatte die „Teuflisch“-LP interessantere Strukturen drauf, aber die (willentliche?) Beschränkung von Stera Lisa paßt genau ins Stingl-Konzept, das laut Firmen-Biografie seine Wirkung in der Reduzierung findet – Texte und Musik auf das Wesentliche verdichtet.

Nur, wenn Stingl’s Texte das Wesentliche darstellen, dann gute Nacht. Körperliches Beisammensein kapriziert sich da auf „ich tu mich in sie rein“ oder „ich hab DICH nur ausprobiert“, um im besinnlichen Lyrik-Finale festzustellen, zu viel Lieben sei neue Einsamkeit, kalt wie ein Intimspray. Wie überhaupt Stingl’s Verhältnis zum Sex kaum von Erotik geprägt zu sein scheint: Der moderne Macker mit Hang zur Direktheit (nicht: Offenheit), der die alte Unterdrückungsleier schlimmer, weil subtiler/progressiver als früher abzupft. Unerträglich scheint mir auch die vorgebliche Anti-Haltung zu gewissen gesellschaftlichen Fakten: In „Westeuropa Sohn“ geht’s gegen Automatisierung, Wellaform und Stereo – Sinnbilder unseres Jahrzehnts vielleicht – und zugleich gespielt in vortrefflicher stereophoner Klangqualität. Die Revolte auf Teppichboden und Mahagoni-Parkett. Unerträglich im PR-Text ein Vergleich von Stingl-Songs mit „allenfalls Zappa“, auch noch zu dessen besten Zeiten, was die musikalischen Zitate betrifft. Und die biografische Hybris, mit der Stingl von sich selbst behauptet, sich oft wie eine Kiste Dynamit zu fühlen, die jeden Augenblick in die Luft gehen kann. Da müßte man aber noch die Zündschnur finden. Jedenfalls: Kiev Stingl’s Texte und Musik heben sich wohltuend als Alternative zu Gesellschafts-Valium wie beispielsweise einer TV-Serie a la „King Edward und Mrs. Simpson“ ab. Nur mit der Differenzierung haben’s beide nicht besonders. 3 (Teuflisch) 2 (Mozart)