Klaus Schulze – „X“
,,X , die römische 10, spielt sicherlich darauf an, daß dieses Doppelalbum Schulzes zehntes LP-Werk ist. „X“ steht aber auch für das Unbekannte. Klaus Schulze, die Sphinx? Die Antwort heißt: zum Teil. Die vier LP-Seiten lassen uns das Vertraute hören, in den Stücken „Friedrich Nietzsche“, ,,Frank Herbert“, und sie konfrontieren uns mit dem Unbekannten, im Stück „Heinrich Kleist“. So entspricht es auch dem Konzept Schulzes: mit dem Vertrauten beginnen; mit der eigenen Gegenwart, dem für den Hörer Neuen, enden.
Die Musik war parallel zu Soundtrack-Aufnahmen entstanden. Nicht nach dem Studium diverser Lebensläufe. Die Titel kamen später. Die fertige Musik verlangte nach Namen, und Schulze kam’s vor, als seien es musikalische Biographien.
Klaus Schulze braucht Zeit. Er macht keine Single-Musik. Er arbeitet mit der Wiederholung. Dennoch passiert so gut wie nie dasselbe, sondern Ähnliches. Die Wandlung bleibt allgegenwärtig. Sie vollzieht sich selten abrupt oder brutal, vielmehr allmählich und sacht. So charakterisiert es Schulzes Musik, daß sie sich dem Hörer gegenüber immer einladend, geduldig dessen Einstieg abwartend verhält. Ein sympathischer Zug, der wohltuend zu elitär-pubertärem Vorsprungsgehabe kontrastiert.
Diese für Schulzes Musik typischen Merkmale kennzeichnen auch diese LP. Was nicht heißen muß, daß jeder Hörer jeder ,,X“-beliebigen Einladung folgen wird. Was in „Friedrich Nietzsche“ noch als willkommener Sog faszinieren mag, kann bei „Friedemann Bach“ als dauerndes Gezirpe auf die Nerven fallen.
Das Album breitet ein weitläufiges Panorama von Klangfarben aus. Trotz mancher orchestraler Arrangements bleibt alles stets sehr klar und durchsichtig. Die Bewegungen einzelner Klänge sind so deutlich, daß man fortwährend geometrisch assoziiert. Bei dem ehemaligen Schlagzeuger Schulze kann man sicher sein, daß er den Pulsschlag nie versiegen läßt, der die Klangmobües aus den Synthesizern an der Kette hält.