Larry Flint – Die nackte Warheit

Geschichten über den Kampf des Individuums gegen das System haben Milos Forman eine eindrucksvolle Karriere beschert: In EINER FLOG ÜBER DAS KUCKUCKSNEST, HAIR oder AMADEUS ließ der gebürtige Tscheche seine Windmühlenkämpfer frontal auf die Autoritäten – geschlossene Anstalten, Militär, Establishment – prallen. In den Neunzigern lodern die Flammen seines Hasses auf gesellschaftliche Willkür, Unterdrückung und Zensur höher denn je. Gut so, denn diese rage against the machine beschert dem Altmeister nach siebenjähriger Schaffenspause eine Rückkehr zu alter Form. Nach einem brillanten Drehbuch von Scott Alexander und Larry Karaszewski (ED WOOD) erzählt Forman die Lebensgeschichte des Porno-Tycoons Larry Flynt, der sich mit seiner Tits-and-Ass-Postille ‚Hustler‘ Karriere und Reichtum ermöglichte und damit den Argwohn selbsterklärter Sittenwächter zuzog. Daß die zahllosen Gefängnisaufenthalte, ein Attentat, das ihn von der Hüfte abwärts lähmte, und der Aids-Tod seiner Frau Althea Flynt bei seinen Scharmützeln mit der Justiz um das uneingeschränkte Recht auf Meinungsfreiheit nur weiter bestärkten, läßt diesen König des Schmutzes als unerwarteten Helden erstrahlen. Es macht nichts, daß Forman ihm den Heiligenschein verweigert: Man schlägt sich auf Flynts Seite, weil man weiß, daß ausgerechnet er derjenige ist, der tatsächlich die Interessen des Volkes vertritt. Ob man nun ein Anhänger seiner Veröffentlichungen und seiner Person ist oder nicht, spielt dabei keine Rolle. LARRY FLYNT – DIE NACKTE WAHRHEIT ist eine bestechend bissige Satire über Amerikas Besessenheit von nacktem Fleisch und Freiheit. Zur gängigen, vorgefertigten Hollywood-Ware steht dieser Film wie die Stooges zu Fleetwood Mac. Da ist eine ungezügelte Seele, eine raw power, die diese ungeschminkte Komödie über wilden Sex und schlechte Manieren mit einer überschäumenden Lust auf Leben erfüllt. Obwohl Woody Harrelson in der Titelrolle seine bisher größte Stunde erlebt, wird die ungefilterte Essenz des Films von niemandem besser verkörpert als von Courtney Love. Die Hole-Sängerin spielt die Rolle der bisexuellen, drogensüchtigen Stripperin Althea, die mit Larry Flynt bis zu ihrem Tod durch Dick und Dünn ging, mit solch seltener Mischung aus Wahrhaftigkeit und Würde, daß kalte Schauer in der letzten Szene des Films nicht ausbleiben können: Wenn die Kamera auf der Suche nach Althea verloren durch Flynts leere Villa streift, suggeriert Forman, daß sein Underdog seinen größten Kampf wohl gewonnen haben mag, sich aber dennoch für den Rest seines Lebens als Verlierer fühlen wird.