Les Tueurs De La Lune De Miel – The Honeymoon Killers
Hoffentlich gibt es bald recht viele, denen die .neue deutsche Welle“ ebenso auf den Wecker geht wie mir und die sich deshalb, lechzend nach aufregenden Musikabenteuern, auch wieder im europaischen Ausland umhören. Und dabei müßte man nämlich unweigerlich über die vorzüglichen Honeymoon Killers stolpern. Die Band um „Mastermind“ Marc Hollander kommt aus Belgien und bildet sozusagen die Säule des Pop in dessen vielstöckigem Musikgebäude.
Die Honeymoon Killers haben es nicht nötig, sich an die Konventionen des Musikgeschäfts zu halten. Sie beginnen ihr Debüt-Album mit gemäßigtem Chaos und lassen darauf ein Stück äußerst kultivierter Langeweile folgen. Aber Vorsicht: Die Honeymoon Killers kennen den Unterschied genau zwischen Eintönigkeit (doof) und Langeweile (ein Gesellschaftsspiel mit vielen offenen Möglichkeiten). So schleppen sich in „Histoire à suivre“ nur das Schlagzeug und ein Gummitwist-Synthesizer durch planvolle Eintönigkeit, während Sängerin Yvonne Vincent seufzt: „Aimer c’est si bête, aimer c’est si fort!“ („Lieben ist so blöde, lieben ist so stark“) und damit die frankophone Kunst des Ennui einem neuen Höhepunkt zutreibt. Fachleute kennen „Rush“ schon von Aksak Maboul, Marc Hollanders Experimentalband – hier überschlagen sich die Percussions, Trillerpfeifen und Triangel in einem Kopf-an-Kopf Wettrennen um die schnellsten Akzentwechsel. Der Rhythmus ändert sich schneller, als das Gehör folgen kann und öfter, als das bisher jemals in 1’5O Songlänge geschafft wurde.
Richtig schön wird’s aber erst auf Seite 2: Dort verbeugen sich die Honeymoon Killers in einer Hommage an den wohl größten französischen Songschreiber dieses Jahrhunderts, Serge Gainsbourg. Sein „Laisse tomber les filles“ steckt voller Teenage-Zappelei, und die quietschvergnügten Honeymoon Killers peitschen durch Gainsbourgs charakteristische Dur-Moll-Dur-Breaks, als wären die gerade erst erfunden worden.
Schlicht und großartig, der perfekte Schlager und Evergreen der modernen Zeit ist jedoch Charles Trenets „Route Nationale 7“, die Version der Honeymoon Killers wurde in Frankreich und Belgien sogar zum kleinen Hit. Hier zeigt sich ihre Liebe zur französischen Pop-Kultur: Die „Nationale 7“ führt von Paris nach Nizza und ist Frankreichs Urlaubs-Straße Nr. 1 – in den 50er und 60er Jahren standen nirgendwo in Europa so viele Tramper wie an der N 7. Und die Honeymoon Killers verarbeiten all diese Traditionen mit Liebe zum Detail, mit geschmackvollen Geräuschseinstreuungen und vor allem mit einem hüpfenden, schalkhaften Beat aus Orgel und Rhythmusbox, der sofort Herz, Knie und den Verstand in Beschlag nimmt.
Achtung! Die Honeymoon Killers zu überhören, ist ein untrügliches Symptom für musikalischen Tiefschlaf!
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